Fey 06: Die Erben der Macht
Familie des Schwarzen Königs war unberührbar. Das hatte Rugad seit zwanzig Jahren nicht mehr klargestellt, aber jetzt mußte es sein.
Er hatte Urenkel.
Einen Jungen und ein Mädchen.
Einen Visionär und eine Gestaltwandlerin.
Die wilden Zauberkräfte der Insel zahlten sich aus. Vielleicht hatte Rugars Eifer, die Blaue Insel zu erobern, den Fey die nötige Zauberkraft verliehen, die Insel einzunehmen und zu anderen Kontinenten weiterzuziehen. Rugad würde die Eroberung von Leutia noch erleben. Das wußte er genau. Um den Rest würden sich seine Urenkel kümmern.
Wilde Zauberkraft.
Das war der Vorteil, den er so dringend benötigt hatte.
17
Mit dem Kopf voran und ausgestreckten Armen schlitterte Con den abschüssigen, moosbedeckten Tunnel hinab. Er konnte nicht anhalten. Der Gang war plötzlich breiter und höher geworden, die Luft frischer. Er konnte den Tang des Flusses riechen, der sich mit dem schwachen Geruch verrotteter Pflanzen mischte.
Er hatte das andere Ufer erreicht.
Die Steine unter dem Moos waren durch undichte Stellen im Gemäuer wie ausgewaschen. Con rutschte immer weiter hinunter, während er vergeblich mit Fingern und Zehen nach einem Halt suchte. Seine Fackel war ihm schon am Anfang der Schräge entglitten, eine Zeitlang vor ihm hergepoltert, bevor sie endgültig in der feuchten Dunkelheit verschwunden war.
Kein Scheppern verriet, ob die Fackel irgendwo auf einen Boden aufgeschlagen war.
Con konnte die Fackel überhaupt nicht mehr hören, und das bereitete ihm die größten Sorgen. Er stellte sich vor, wie er unaufhaltsam rutschte, bis sich plötzlich der Boden unter ihm auftat, und er immer tiefer und tiefer fiel und sich dabei sämtliche Knochen brach. Er würde nicht aus diesem Abgrund hinausklettern können und für immer verschollen bleiben.
Es wußte ja niemand, wo er war.
Seine Rutschpartie verlangsamte sich jetzt, bis er mit pochendem Herzen am Ende der abschüssigen Strecke liegenblieb. Alles war still, er hörte nichts als seinen eigenen, abgerissenen Atem. Nach den stampfenden, marschierenden Füßen der Fey war die plötzliche Stille besonders unheimlich.
Er setzte sich auf, wartete, bis er wieder zu Atem gekommen war, und tastete dann suchend nach seinem Feuerstein. Seine Vorräte waren zerdrückt und mit Moos verschmiert, aber es schien noch alles da zu sein. Er zog eine neue Fackel aus seinem Gürtel, entzündete sie mit einem Funken des Feuersteins und blinzelte, als der Holzscheit Feuer fing.
Die Wände waren vom Moos schwarz gefärbt. Der Tunnel erweiterte sich zu einem Gang, der mehreren Menschen nebeneinander Platz bot. Die Decke war hoch und brüchig. Einige Steine waren herausgefallen und lagen zerschmettert auf dem Boden.
Er erhob sich. Sein Gewand war klamm und hing schwer an ihm. Sein Gesicht war dreckverkrustet, die Hände schwarz und die Füße vermutlich auch. Aber das spielte jetzt keine Rolle. Er mußte zum Palast.
Auf der Karte waren die verschiedenen Abzweigungen des Tunnels an dieser Stelle eingezeichnet. Er mußte in einem der Nebengänge gelandet sein. Von hier aus gab es mehrere Möglichkeiten, den Palast zu erreichen. Er mußte nur einen Gang wählen, der in nördlicher Richtung verlief.
Falls er herausfand, wo Norden war.
Er wußte zumindest, daß man sich vom Fluß entfernen mußte, wenn man nach Norden wollte. Er würde den Weg schon finden.
Er holte tief Luft und lief weiter. Sein Fuß schmerzte. Er mußte sich beim Rutschen verletzt haben. Die Stille war beunruhigend. Seine Nackenhaare stellten sich auf. Ein unheimliches Gefühl bemächtigte sich seiner, als beobachte ihn jemand, den er nicht sehen konnte.
Es war doch unmöglich, daß die Fey diesen Tunnel entdeckt hatten.
Oder?
Der Tunnel wand sich um unsichtbare Hindernisse und führte immer tiefer unter die Erde. Con vermutete, daß er sich unter den Lagerhäusern befand, aber vielleicht täuschte er sich ja.
Er schlug ein schnelleres Tempo an, hielt die Fackel hoch und fluchte leise, als er mit dem Zeh gegen einen herabgefallenen Stein stieß. Dann bat er den Heiligsten um Vergebung für seine Gotteslästerung. In seinen dreizehn Jahren hatte er so etwas noch nie mitgemacht.
Er bog um eine Ecke und sah, wie sich etwas vor ihm bewegte. Ein Mann, eine Frau und ein Haufen Kisten. Er blieb stehen. Die Frau warf dem Mann einen Blick zu, und Con wurde durch einen Schlag von hinten zu Boden gestreckt.
Jemand ergriff die Fackel. Hände packten seine Arme und rissen sie
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