Fey 06: Die Erben der Macht
wollten. Fey-Blut. Über der ganzen Welt. Die Fey waren keine vernunftbegabten Geschöpfe mehr, die Krieg führten, sondern blindlings mordende Wahnsinnige, die alles zerstörten und jeden niederstreckten, der sich ihnen in den Weg stellte.
Das Schwarze Blut hatte sich gegen seine eigenen Kinder gewandt und alle Fey in den Wahnsinn getrieben.
Ihre größte Angst.
Und eine der fünfzig Visionen. Einer der Pfade, auf den die Veränderungen ihr Volk führen konnten. Sie hoffte, daß auch Rugad es Gesehen hatte. Und Gabe.
Hatten sie es aber nicht Gesehen, waren die Fey verloren.
Sie wußte nicht genau, was sie als nächstes tun sollte. Als sie Gesehen hatte, daß die Fußsoldaten alle umbrachten, hatte sie gegen ihre Überzeugung gehandelt und das Schattenland verlassen. Sie wollte auf keinen Fall im Schattenland sterben. Sie wußte, daß sie damit ihre Vision verändert hatte, denn als sie den Palast verließ, war sie unter einer weiteren Vision zusammengebrochen, in der sie diese Berghöhle sah und den Beweis für ein langes Leben.
Ihr Leben.
Rugad war nahe daran, die Zukunft der Fey zu zerstören. Aber ein Gespräch mit ihm würde sie das Leben kosten. Nicholas aber, der gute Nicholas, war kein Fey und konnte nicht in vollem Umfang verstehen, was sich vielleicht noch alles ereignen würde. Und der junge Gabe, von Natur aus zur Führung bestimmt, verfügte über keinerlei Kampferfahrung. Ihre ganze Hoffnung ruhte auf Arianna, die genauso leidenschaftlich und willensstark war wie ihr Großvater Rugar, der die Fey in diese Sackgasse geführt hatte.
Sie hatte Nicholas und seine Kinder bereits vor den Folgen dieses Krieges gewarnt. Und Rugad hatte man von klein auf beigebracht, solche Kämpfe zu vermeiden.
Bis ihre Visionen klarer wurden, würde sie in ihrer Höhle bleiben, auf dieser Seite des Berges, verschont von Intrigen und in Sicherheit vor dem Rest der Welt.
In Sicherheit vor Rugad.
Und vielleicht auch vor dem Tod.
31
Nicholas legte den Arm um Ariannas Schulter, aber seine Aufmerksamkeit galt nicht ihr, sondern seinem Sohn.
Sebastian hatte sich an der Wand zusammengekauert und die Arme um sich geschlungen. Seit Arianna von ihren Visionen erzählt hatte, schwieg er. Zum ersten Mal in seinem Leben war er tief in Gedanken versunken.
Nicholas ließ ihm Zeit. Er war selbst von Ariannas Erlebnis erschüttert, nicht so sehr über ihre Erzählung, sondern darüber, wie sie ausgesehen hatte. Für einen Moment hatte er gedacht, sie sei vergiftet, und dieses Gift habe nur länger gebraucht als sonst, um seine ganze Wirkung zu entfalten. Er hatte Arianna in den Armen gehalten, voller Angst, sie müßte denselben grausamen und schnellen Tod sterben wie ihre Mutter. Aber sie war nicht gestorben. Als Arianna die Augen aufschlug, war Nicholas wie erlöst gewesen.
Jetzt stand sie neben ihm und beobachtete den Kampf, der sich im Hof abspielte.
Er las in ihren Zügen, wie sehr sie sich danach sehnte, mitzukämpfen. Das verstand er nur zu gut. Auch er sehnte sich danach, aber er hatte begriffen, daß es unmöglich war. Weder er noch Arianna würden hinuntergehen. Dieser Kampf mußte ohne sie stattfinden.
Er hatte alles veranlaßt. Jetzt konnte er nichts mehr tun.
Aber allem Anschein nach hatte er genug getan. Seine Männer hatten drei Viertel der Vögel erschreckt und in die Flucht geschlagen. Die übriggebliebenen griffen die Palastwachen an, indem sie ihnen direkt ins Gesicht flogen, aber irgendwie hatte Monte seine Truppen auf diesen Fall vorbereitet. Die Männer stachen nach den Tieren, hieben sie in Stücke, rissen Federn und Flügel heraus. Alles war voller Blut und Federn. Gellende Schreie der Vögel und Wachen erfüllten die Luft. Aber der Siegesschrei der Fey blieb aus. Nichts deutete darauf hin, daß sie die Oberhand gewannen.
Aus jedem Fenster des Turmes konnte Nicholas sehen, wie die Fey fielen. Der Preis war hoch, jeder zweite getötete Fey kostete einer seiner Wachen das Leben, aber in diesem Nahkampf würden Nicholas’ Männer den Sieg davontragen.
Er wußte nicht, wie lange es dauern würde.
Aber solange es währte, war es herrlich.
»Papa …«
Nicholas wandte sich um. Sebastian wies zum nördlichen Fenster. Vor der Scheibe flatterten etwa zwei Dutzend winzige Vögel. Sie bewegten die Flügel so schnell, daß Nicholas den Flügelschlag kaum wahrnehmen konnte. Es sah beinahe so aus, als stünden sie in der Luft.
Die Fey auf ihren Rücken waren noch winziger als die Tiere. Aus der
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