Fey 07: Die Augen des Roca
Haar, vollem Gesicht und so kleinwüchsig wie alle hier. Aber Boteen war sich nicht sicher. Erfahrene Zaubermeister konnten ihre Gestalt Wandeln. Sie konnten zwar nicht für lange Zeit in der anderen Gestalt verweilen, und sie gingen dabei ein großes Risiko ein, aber es war ihnen durchaus möglich. Vielleicht hatte dieser Zaubermeister sich Gewandelt.
Obwohl das keine befriedigende Erklärung der Geschichten war, die die Versager aus den Schattenlanden erzählt hatten. Sie behaupteten, einen blonden Inseljungen bei sich aufgezogen zu haben, dessen Zaubertalente nur die Gestaltwandlerin Solanda erkannt habe. Als er schließlich entdeckt worden sei, habe ihn Gabe – damals noch ein Junge – gerettet und ihm zur Flucht aus dem Schattenland verholfen.
Boteen vermutete, daß Gabe nun mit diesem Zaubermeister unterwegs war. Das war nur logisch. Hatte man erst einmal den Zaubermeister gefunden, dann konnte der Junge nicht weit sein.
Es würde aber nicht einfach werden. Rugad hatte erzählt, der Zaubermeister habe Gabes Verbindungen geschlossen. Der Zaubermeister würde seine eigenen Verbindungen ebenfalls schließen und damit seine Spur verwischen.
Wenn er raffiniert genug war.
Die Frage nach dem anderen Zaubermeister war damit aber noch nicht beantwortet. Angeblich hatte ihn niemand gesehen. Weder die Versager noch die gefolterten Inselbewohner, einfach niemand.
Boteen aber spürte ihn.
Er hatte seine Anwesenheit bereits gespürt, als er die Klippen im Süden zum ersten Mal berührte, eine große Kraftquelle, unverschlossen und leck.
Dieser Zaubermeister wußte nichts mit seiner Macht anzufangen, und das machte ihn sehr gefährlich.
Es machte ihn unsichtbar.
Todbringend.
Boteen ballte die Fäuste. Er war auf Rugads Befehl hergekommen. Rugad wollte den Jungen. Er glaubte, Boteen könne den Zaubermeister verfolgen. Bis zu einem bestimmten Punkt traf das auch zu. Aber es war nicht so einfach, wie Rugad dachte. Nichts war so einfach, wie Rugad dachte.
Aber das war dem Schwarzen König gleichgültig. Er wollte Resultate und keine Klagen.
Boteen blickte zum Himmel. Die Sonne war aufgegangen, aber Rauch und Asche färbten den Himmel grau. Seine Aufgabe wäre leichter zu lösen, wenn er die Kobolde dazu bewegen könnte, Wind zu machen. Aber er wollte Rugads Autorität nicht untergraben. Das duldete Rugad nicht. Sollte er auch nur den leisesten Verdacht haben, daß er seine Macht teilen mußte, würde Rugad nicht zögern, einen vertrauten Ratgeber, und sei es selbst seinen einzigen Zaubermeister, auszuschalten.
Daran hatte er niemals einen Zweifel gelassen.
Als er seinen Sohn Rugar hier hergeschickt hatte, waren die letzten Zweifel ausgeräumt worden. Nach Rugars Tod hatte Rugad weder Kummer noch Reue erkennen lassen. Nur Erleichterung.
Schwarzes Blut konnte nicht offen gegen sich selbst kämpfen. Aber die klugen Führer, die aufgestiegen und lange genug auf dem Schwarzen Thron gesessen hatten, fanden immer Mittel und Wege, um jene rätselhafte Bestimmung zu umgehen, die die Mächte ihnen vor vielen Jahrhunderten auferlegt hatten.
Rugads Verhalten hatte eine lange Tradition.
Boteen holte tief Luft. Er verabscheute das nachfolgende Brennen in seinen Lungen. Er bekam einfach keine Verbindung zu dem anderen Zaubermeister. Niemand hatte eine Verbindung zu ihm, soweit Boteen wußte. Irgendwo mußte es aber Spuren geben. In den Boden eingeätzte Spuren, Spuren in der Luft, Spuren in allem, was er berührt hatte.
Spuren waren etwas anderes als Empfindungen. Spuren waren einfach Wege, auf denen der Zaubermeister gegangen war. Diese Spuren blieben überall zurück. Alles Magische hinterließ deutliche Spuren, die erst mit der Zeit verschwanden.
Boteen konnte jeden verfolgen, solange es eine Spur gab.
In dieser Stadt gab es die Spur eines Zauberers. Allerdings nur eine. Es schien, als sei der zweite Zaubermeister niemals hier gewesen. Die einzige Frage war nun: Welcher der beiden beschützte das Schwarze Blut?
Boteen konnte nur raten. Er nahm an, daß der Beschützer vor langer Zeit in dieser Stadt gelebt und sich seit fast ebenso langer Zeit daraus zurückgezogen hatte. Seine Spur war sehr alt und fast unkenntlich. Sie war so alt, daß sie fast erloschen war. Boteen konnte weder ihre Farbe noch ihre Essenz erkennen. Er spürte kaum noch, daß sie einst einem Zaubermeister gehört hatte.
Die Spur stammte aus der Zeit, als Jewel noch gelebt hatte und die Versager die Blaue Insel zum ersten Mal verloren hatten. Der
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