Fey 07: Die Augen des Roca
verlieren. Con wünschte, er hätte etwas, um sich die Nase zuhalten zu können. Er versuchte, durch den Mund zu atmen. Dann ballte er die Faust und ging weiter.
Natürlich lag hier alles voller Leichen. Natürlich. Es hatte einen Frontalangriff auf das Tabernakel gegeben. Die Ältesten in der Höhle auf der anderen Seite des Cardidas hatten eine kleine Zeremonie für alle Verletzten und Kranken abgehalten, die zurückgeblieben waren. Als sie den Gang unter der Brücke erreicht hatten, wußten sie, daß nur die Gesunden auf diesem Weg entkommen konnten. Den anderen blieb nichts übrig, als umzukehren und sich nach neuen Fluchtmöglichkeiten umzusehen.
Offenbar waren einige von ihnen nicht durchgekommen.
Con war sich nicht sicher, ob die Gruppe auf der anderen Seite des Flusses durchkommen würde. Die Gruppe nahm an, daß die Fey sich irgendwann aus Jahn zurückziehen würden, und hoffte darauf, so lange in ihrer Höhle ausharren zu können.
Con hielt es für unwahrscheinlich, daß die Fey sich jemals wieder zurückzogen. Sie hatten die Blaue Insel erobert. Wenn nicht jemand kam und sie ihnen wieder wegnahm.
Cons einzige Hoffnung war, daß König Nicholas noch lebte. Das war allerdings eine recht unwahrscheinliche Hoffnung. Was konnte ein einzelner schon gegen die Fey und ihre Zauberkräfte ausrichten? Was konnte man überhaupt tun?
Con legte eine Hand über die Nase und packte Sebastian mit der anderen. Er befürchtete, daß es ebenso scheußlich wie schwierig sein würde, die nächsten Meter hier unten zu überwinden.
»Los«, sagte er zu dem Königssohn und zukünftigem Herrscher der Blauen Insel. »Wir schaffen das schon irgendwie.«
Con hoffte inständig, daß er sich nicht täuschte.
14
Boteen stand im Palastgarten. Der Geruch von Blumen und Gras mischte sich unter den Aschegestank, der seit einer Woche in der Luft hing. Die ganze Zeit über herrschte Windstille, weshalb der Rauch aus den Feuersbrünsten wie eine Giftsäule über der Stadt stand.
Seit seiner Verwundung hatte Rugad vieles vernachlässigt. Er hätte den Wetterkobolden Anweisungen geben müssen. Sie würden niemals von selbst auf die Idee kommen, für Wind zu sorgen. Ohne Führung beschäftigten sie sich mit so abgehobenen Dingen wie der Frage, ob der Reinheitsgehalt eines Regentropfens höher sei als der einer Schneeflocke. Ohne Führung waren sie nichts als faule, nutzlose Zauberer, und von Boteen nahmen sie keine Befehle entgegen.
Auch wenn er ihr Vorgesetzter war.
Boteen richtete sich zu voller Höhe auf. Er war der längste Fey, den es je gegeben hatte, und wahrscheinlich auch der dünnste, aber das kümmerte ihn wenig. Er aß, bis er satt war, aber er verbrauchte soviel Energie, daß das Essen ihn kaum zu nähren schien. Unablässig arbeitete er an sich, um seine Fähigkeiten zu erweitern.
Es frustrierte ihn, daß die Zauberkraft eines Zaubermeisters ihre Grenzen hatte. Anfangs konnte er alle Zaubersprüche mit großer Energie anwenden, aber seine Kräfte erschöpften sich sehr schnell. Es war ihm fast unmöglich, einige der schwierigeren Zauber auszuführen. Er konnte sie zwar anwenden, aber ohne den Grad an Vollkommenheit mit der beispielsweise ein Kobold einen Sturm oder Hurrikan entfesseln konnte. Boteen brachte nur einen kräftigen Wind oder Hurrikan zustande, der nach wenigen Augenblicken wieder abflaute. Er mochte sich noch so sehr anstrengen, doch er war nicht fähig, ein solches Ausmaß an Zerstörung hervorzurufen, wie es den Kobolden während einer Schlacht auf Nye gelungen war.
Er fragte sich, ob die anderen dazu in der Lage waren.
Die anderen. Boteen holte tief Luft und ballte die Fäuste. Zaubermeister waren selten. Er war der einzige, den Rugad auf diese Reise mitgenommen hatte, und der einzige, den die Fey zwischen Nye und L’Nacin kannten. Er vermutete, daß unter den Fey, die in den Eccrasischen Bergen zurückgeblieben waren, ein Zaubermeister zur Welt gekommen war, aber das war nur eine Vorahnung, die er während einer stürmischen Nacht gehabt hatte, die Geburt eines Kindes und das Aufblitzen seiner Zauberkraft.
Da dieses Aufblitzen aus den Bergen gekommen war, fühlte Boteen sich davon nicht betroffen. Seine Position wurde dadurch nicht gefährdet.
Ganz anders verhielt es sich mit den beiden Zaubermeistern hier auf der Blauen Insel. Rugad behauptete, einen von ihnen getroffen zu haben. Dieser Zaubermeister hatte Gabe beschützt, den Urenkel. Er war, so hieß es, ein Inselbewohner mit blondem
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