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Fey 07: Die Augen des Roca

Fey 07: Die Augen des Roca

Titel: Fey 07: Die Augen des Roca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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oder jemanden, eingesetzt werden konnte. Deswegen wollte Seger die Stimme nicht auf den Winden davonfliegen lassen. Jemand hätte sie sehen und einfangen und dann mit Rugads Stimme sprechen können.
    Wer Rugads Stimme besaß, hatte auch seine Autorität.
    Rugad ergriff das Gefäß und trug es zu dem großen Schlafzimmer, das er benutzte. Er nahm einen Beutel aus seinen Kleidern und legte das Glas hinein. Dann band er es um seine Taille. Auch er würde mit seiner Stimme vorsichtig umgehen. Er würde sie bewachen, als sei sie noch ein Teil seines Körpers.
    Niemand würde jemals für ihn sprechen, ganz bestimmt nicht mit der Stimme, die ihm zweiundneunzig Jahre so gute Dienste geleistet hatte.
    Rugad berührte erneut seine Kehle. Dieser verdammte Nicholas! Verdammt sei Jewel, weil sie ihn geheiratet hatte. Diese kleine Insel hätte ein schneller Sieg werden sollen, nichts als ein Stiefelschritt auf dem Weg nach Leutia.
    Und keine Grenze. Schon gar nicht die Grenze, die jetzt daraus geworden war.
    Er ging wieder ins Wohnzimmer zurück. Er hatte sich selbst ermahnt, die Inselbewohner nicht zu unterschätzen, und nun war ihm genau dieser Fehler unterlaufen.
    Er hätte ihn beinahe das Leben gekostet.
    Rugad legte die Hand auf die Lehne eines verzierten Stuhles. Das geschwungene Holz schnitt in seine Handfläche. Dieser Palast war für ein bequemes Leben eingerichtet, nicht für einen Krieg. Es gab kaum Anzeichen dafür, daß hier je ein Krieg stattgefunden hatte. Bei seiner Ankunft hatte er die einfache Eroberung der südlichen Insel als einen Beweis für die Unfähigkeit des Inselvolks gehalten, zu kämpfen. Mittlerweile neigte er eher zu der Annahme, daß sein Sohn im Kampf unfähiger war als die Inselbewohner.
    Rugar hätte Jewel vertrauen sollen. Jewel war eine kluge Frau gewesen, und sie hatte keinen Ausweg gesehen. Sie hatte Nicholas geheiratet, ihm Kinder geschenkt und die Insel auf die altmodische Art erobert. Durch die Vermischung von Blut.
    Dann hatte man sie ermordet.
    Rugads Urenkel war von Versagern großgezogen worden.
    Seine Urenkelin von Inselbewohnern.
    Keiner der beiden kannte die Fey. Rugad konnte ihnen nur dann alles über sein Volk beibringen, wenn er die beiden auf seiner Seite hatte.
    An seiner Seite hatte.
    Deswegen mußte er sie finden.
    Ein Klopfen an der Tür überraschte ihn. Ohne auf eine Antwort zu warten, wurde die Tür geöffnet.
    »Ich kann jetzt sprechen«, sagte Rugad mit schneidenden Schmerzen in der Kehle.
    Weißhaar schlüpfte herein und schloß die Tür hinter sich. »Es tut mir leid, Herr«, sagte er. »Ich hatte Seger nicht gehen sehen.«
    »Du wirst nie wieder unaufgefordert meine Räume betreten«, blaffte Rugar. Er hatte noch nicht entschieden, was mit Weißhaar geschehen sollte. Am besten wartete er, bis der Berater besonders verletzlich war, um dann zuzuschlagen.
    Vielleicht wäre es aber noch unangenehmer für Weißhaar, seine einstige Macht häppchenweise zu beschneiden. Rugad mußte noch entscheiden, was davon der bessere Weg war.
    »Vergib mir«, entschuldigte sich Weißhaar und deutete eine leichte Verbeugung an. »Ich habe Neuigkeiten.«
    Rugad faltete die Hände hinter dem Rücken und wartete.
    Weißhaar kniff verwirrt die Augen zusammen und fuhr dann fort: »Einer der Irrlichtfänger, die du in die Tunnel geschickt hast, ist ziemlich aufgeregt zurückgekommen. Er behauptet, er habe deinen Urenkel gefunden.«
    Rugad atmete heftig aus. »Schick ihn zu mir«, befahl er und ging zur Tür.
    Weißhaar öffnete die Tür und bedeutete jemandem einzutreten. Ein Irrlichtfänger kam herein. Er war schlank, zu schlank, wie so viele aus Rugads hart arbeitenden Truppen, und hatte die Flügel flach an den Rücken gelegt. Sein schwarzes Haar war nach Art der Nye kurz geschnitten und klebte schweißtriefend an seinem Schädel. Er war mit Spinnweben, Staub und Schmutz bedeckt.
    »Verzeih mein Aussehen«, sagte er. »Ich bin so schnell gekommen, wie ich nur konnte.«
    Rugad hob eine Hand. »Laß uns allein, Weißhaar«, ordnete er an.
    »Aber Herr …«
    »Sofort.« Rugad legte soviel Nachdruck in seine Stimme, daß er das Gefühl hatte, sich selbst die Kehle aufzuschlitzen.
    »Ja, Herr.« Weißhaar warf ihm einen besorgten Blick zu, wirbelte dann herum und verließ das Zimmer.
    »Komm«, sagte Rugad zu dem Irrlichtfänger und führte ihn auf den Balkon. Eine leichte Brise ließ die Flügel des Irrlichtfängers zittern und zauste spielerisch an Rugads Schopf. Rugad schloß die Balkontür

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