Fey 08: Im Zeichen der Schwerter
aber er spürte ihren wie immer mitfühlenden Blick.
»Von allen Nicht-Fey, die ich je getroffen habe, bist du einem Fey am ähnlichsten«, sagte sie. »Ich weiß nicht, wie du dich entscheiden wirst. Aber es ist meine Pflicht, dich auf die Möglichkeit aufmerksam zu machen. Du mußt als politisches Oberhaupt entscheiden, nicht als Vater.«
»Dieses Oberhaupt ist aber zufällig ein Vater«, gab Nicholas zurück. »Das kannst du nicht trennen.«
»Das weiß ich jetzt«, bestätigte die Schamanin. »Und ich werde es nie vergessen.« Sie trat zögernd näher und ergriff Nicholas’ Arm.
»Das ist es ja gerade«, murmelte sie, »was dich von uns unterscheidet.«
»Du behauptest also, ein Fey würde Arianna töten. Du behauptest allen Ernstes, Jewel hätte an meiner Stelle ihre eigene Tochter getötet.«
»Gesetze entstehen nicht zufällig, Nicholas«, erklärte die Schamanin. »Das Verbot, daß Schwarzes Blut sich gegen Schwarzes Blut wendet, ist notwendig, weil die Fey sonst tatsächlich ihre eigenen Familienmitglieder töten würden, wenn es sein müßte. Selbst diejenigen, die sie lieben.«
Nicholas sah wieder zu der Eidechse hin. Das Tier … Arianna … saß immer noch regungslos da. Er kniete neben ihr nieder, berührte sie jedoch nicht.
»Dieses Verbot darfst du nie vergessen«, mahnte die Schamanin. »Du hast eine reinblütige Feytochter aufgezogen.«
»In ihren Adern fließt auch Inselblut.«
»Aber vielleicht nicht genug«, gab die Schamanin zu bedenken.
»Was soll das heißen?«
»Es heißt«, erwiderte die Schamanin leise, »daß du vielleicht eines Tages dein eigenes Leben schützen mußt.«
»Weil Arianna mich sonst töten wird?«
»Wenn sie sich dadurch einen entscheidenden Vorteil verschafft.«
Nicholas schüttelte den Kopf. »Arianna liebt mich.«
»Ich weiß«, erwiderte die Schamanin.
Angesichts ihrer Gelassenheit wallte Zorn in Nicholas auf. »Falls du mir das alles erzählst, damit ich etwas gegen den Schwarzen König unternehme, hast du dich getäuscht.«
»Ich weiß«, wiederholte die Schamanin. »Aber behalte diesen Augenblick in Erinnerung. Vielleicht wirst du deine Entscheidung noch einmal bedauern.«
11
Arianna stand neben ihrem Urgroßvater. Rugad starrte sie wütend an. Draußen, in weiter Ferne, sprachen ihr Vater und die Schamanin miteinander, aber Arianna konnte die Worte nicht verstehen.
Sie versuchte es erst gar nicht.
Ihr Urgroßvater beobachtete sie. Solche Augen wie seine hatte sie noch nie gesehen. Auch kein solches Gesicht: schmal, kantig und überwältigend attraktiv. Auch der viel ältere Mann, dem sie persönlich begegnet war, war eine beeindruckende Erscheinung gewesen, aber seine Anziehungskraft war mit der Zeit verblaßt. Sie war einer Grausamkeit gewichen, die sich tief in seine Züge eingegraben hatte, einer Zähigkeit von Haut und Körper, die von Stärke, Alter und Macht kündete.
Du kannst mich nicht töten, kleines Mädchen, ohne alles zu zerstören.
Arianna lächelte.
Das kann ich sehr wohl, gab sie zurück, und ich hätte es schon einmal fast getan. Als wir uns das letzte Mal getroffen haben.
Statt einer Erwiderung drehte sich ihr Urgroßvater plötzlich um, als habe er etwas gehört. Arianna hatte nichts gehört, aber sie fühlte etwas. Eine Gegenwart. Noch eine. Aber eine andere.
Sie beobachtete, wie ihr Urgroßvater zu einigen Türen hinüberschwebte, die Arianna vorher nicht aufgefallen waren. Bevor Rugad sie erreichte, öffneten sich die Türen. Rugad fluchte in einem Dialekt, den Arianna ihr Leben lang gehört, aber nie verstanden hatte.
Ein Junge stürzte durch die Türen. Ein Junge, der eigentlich schon ein Mann war. Der aussah wie Arianna und zugleich wie ihr Urgroßvater. Nur, daß seine Augen hell waren und seine Gesichtsform der ihres Vaters glich.
Gabe.
Aus Ariannas Kehle drang ein Knurren. Sie wollte den Jungen genausowenig hierhaben wie ihren Urgroßvater. Hatten sich die beiden gegen sie verbündet?
Ihr Urgroßvater schien nicht dieser Meinung zu sein. Er stieß den Jungen vor die Brust, aber der schubste zurück. Mit überraschtem Gesicht stolperte Rugad und fiel hin. Der Junge streckte schon die Hand nach ihm aus, hielt dann aber inne und blickte Arianna an.
Seine Augen waren nicht nur hell, sie waren grau. Grau, nicht blau, und sein Gesicht war von tiefen Furchen durchzogen, wie kein junger Mann sie haben sollte.
Sebastian? fragte Arianna, aber nur ein Flüstern kam über ihre Lippen.
Ari. Eine so große
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