Fey 08: Im Zeichen der Schwerter
beantwortet.«
Seger schluckte hörbar. Sie bedeckte die über den Splittern geschlossene Hand mit der anderen. Die Geste sah seltsam zärtlich aus. Rugad fragte sich, ob er ihr die Splitter wieder wegnehmen sollte.
»Ich glaube, daß es auf dieser Insel eine Magie gibt, wie wir ihr noch nie begegnet sind. Sie ist stärker als jede andere.«
»Stärker als unsere?« fragte Rugad.
»Genauso stark, denke ich«, gab Seger zurück. »Aber das macht uns verwundbar.« Sie lächelte beinahe ängstlich. »Ich bin nicht gern verwundbar, Herr.«
Ich auch nicht, dachte Rugad. Also deshalb fühlte er sich so seltsam. Nicht älter, sondern verwundbar. Die Bewohner dieser Insel hatten ihn bereits zweimal ernsthaft verletzt. Dasselbe Volk, das er eigentlich seinem Imperium hatte unterwerfen wollen.
»Ich auch nicht«, sagte er laut. »Aber wir alle sind aus Fleisch und Blut. Anders als der Golem sind wir alle sterblich. Oder wir verlieren den Verstand und töten uns selbst, so wie die Zaubermeister.«
Rugad schauderte, froh, daß ihm diese Art von Zauberkraft erspart geblieben war.
»Ich fühle mich hier nicht mehr sicher«, murmelte Seger.
Ihre Wortwahl amüsierte Rugad. »Hast du dich denn im Feldzug gegen Nye sicherer gefühlt?«
»Natürlich«, antwortete Seger. »Da wußte ich ja, daß wir siegen würden.«
»Aber du hast dich doch sogar um die Verwundeten gekümmert. Du weißt, wie viele Leute wir verloren haben.«
»Du warst unverletzt«, wandte sie ein.
»Aber mein Sohn nicht«, konterte Rugad.
»Dein Sohn war nicht Schwarzer König. Das ist nicht dasselbe.«
Nein, wahrscheinlich nicht. Und genau da lag auch das Problem. Es gab einige Dinge, die nur er selbst tun konnte.
Nur er hatte die Verbindungen des Golems bereisen können, und er hatte dazu allein sein müssen. Niemand hatte erfahren dürfen, wie verwundbar er in diesem Augenblick gewesen war. Wären die Wachen mit im Zimmer gewesen, hätten sie Rugads Körper vielleicht zu früh von dem des Golems getrennt, und dann wäre Rugad mit Sicherheit während der Explosion gestorben.
Oder hätte herausgefunden, was noch so alles passieren konnte.
»Auf dieser Insel sind wir in der schwächeren Position«, nahm Seger den Faden wieder auf.
Wieder überlief Rugad ein Schauder. Sogar diejenigen Fey, die mit ihm hier im Palast des Inselkönigs wohnten, hatten die falsche Einstellung. »Merkwürdig, daß du das jetzt sagst, wo wir fast das ganze Land erobert haben«, erwiderte er.
»Aber das, weswegen wir gekommen sind, haben wir nicht gefunden.«
»Wir sind wegen der Blauen Insel gekommen«, erklärte Rugad.
»Ich dachte, wegen deiner Urenkel.«
»Auch ihretwegen«, gab Rugad zu. »Aber die Familienangelegenheiten des Schwarzen Throns sind eben nicht immer einfach.« Er lächelte Seger an, obwohl ihm nicht danach zumute war. »Das solltest du wissen.«
Seger nickte knapp, dann zuckte sie die Achseln. »Meine Bemerkung war unpassend.«
»Nein«, beschwichtigte Rugad. »Du hast mir nur deine Sicht der Dinge mitgeteilt. Das ist überhaupt nicht unpassend.«
»Dann will ich dir noch etwas erzählen.« Seger straffte die Schultern, wie um sich auf Rugads Reaktion vorzubereiten. »Weißhaar fand, daß du hier auf der Insel Fehler machst, und gab deiner Verletzung die Schuld. Deshalb hat er deine Befehle in Zweifel gezogen und für dich gesprochen.«
»Willst du etwa behaupten, daß Weißhaar nur die besten Absichten hatte?«
»Ja«, antwortete Seger.
»Also sollte ich die Absichten in Betracht ziehen, wenn mich jemand hintergeht?«
Seger seufzte. »Ich wußte, daß du mich falsch verstehen würdest.«
»Wie soll ich dich denn verstehen, Seger?« fragte Rugad.
»Weißhaar ist nur ein Beispiel für die Unsicherheit deiner Untergebenen, Rugad. Die Angst vor der Magie dieser Insel ist ein zweites. Unsere Leute haben ein Problem, das bis jetzt noch nie aufgetreten ist. Wir vertrauen einander nicht mehr.«
»Wir haben einander doch noch nie vertraut«, wandte Rugad ein. »Zauberhüter kämpfen gegen Gestaltwandler. Gestaltwandler verabscheuen Rotkappen. Rotkappen hassen alle Fey, die über Zauberkraft verfügen. So sind wir nun einmal.«
»Aber bis jetzt haben wir es geschafft, mit diesen Streitigkeiten zu leben«, sagte Seger. »Ich weiß nicht, ob wir das immer noch fertigbringen. Der gemeinsame Glaube an die Überlegenheit unseres Volkes hat uns zusammengehalten. Das scheint nicht mehr zu funktionieren.«
Weil seine Urenkelin ihn niedergestreckt hatte.
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