Fey 08: Im Zeichen der Schwerter
um deine Befehlsgewalt zu sichern. Das verstehe ich und führe deine Anweisungen bezüglich der Behandlung der Opfer aus. Manchmal verstoßen sie zwar gegen meinen Heilerinstinkt, aber das hast du mir ja vorausgesagt, als du mich zu deiner persönlichen Ärztin ernannt hast. Vieles, was du tust, verstößt gegen meinen Heilerinstinkt. Daß du weiterhin sprichst, ohne deiner Kehle die Möglichkeit zu geben, vernünftig zu heilen, ist eine Entscheidung, die ich nicht getroffen hätte. Dafür wirst du den Rest deines Lebens bezahlen müssen.«
Mehr, als Seger wußte, dachte Rugad. Seine richtige Stimme war verschwunden. Und anders als bei einer Seele gab es keine Methode, sie zu fangen und zurückzubringen.
»Ich brauche meine Stimme«, erwiderte er.
»Ich weiß«, bestätigte Seger. »Es ist die Entscheidung eines Anführers, nicht die eines Heilers.«
»Warum gibst du mir dann die ganze Zeit zu verstehen, daß dir etwas nicht paßt?«
Seger lächelte ein bißchen. »Glaubst du etwa, ich würde dich nach dem Zwischenfall heute abend tadeln?«
Sie hatte unrecht. Ehrlichkeit hatte Rugad bei seinen Beratern immer akzeptiert. Er zog erst eine Grenze, wenn sie versuchten, die Macht an sich zu reißen. Diese Grenze hatte Weißhaar mehrmals überschritten, seit sie auf der Blauen Insel waren.
»Seger«, lenkte Rugad ein. »Soweit ich weiß, hast du dir niemals etwas zuschulden kommen lassen, es sei denn, du hättest vorhin Weißhaar seine Zunge wiedergegeben.«
Seger blickte von der Behandlung seiner gebrochenen Rippen auf. Ihre Augen waren dunkel und verschlossen, ihre von Falten durchfurchte Haut bleich vor Erschöpfung.
»Ich pflege deinen Befehlen nicht zuwiderzuhandeln«, erklärte sie.
»Dann hast du auch nichts zu befürchten«, gab Rugad zurück.
Seger holte tief Luft.
»Es hat länger gedauert, bis ich zurückgekommen bin.«
»Das ist mir nicht entgangen«, erwiderte Rugad spöttisch.
»Es hatte nichts mit Weißhaar zu tun. Den Blutfluß zu stillen war nicht schwer. Ich habe ihm etwas zusätzliche Kraft eingeflößt, damit er von hier verschwinden und ein paar Tage überleben kann. Ich nahm an, du hättest nichts dagegen.«
»Zumindest will ich nicht, daß er gleich hier stirbt«, knurrte Rugad. »Schließlich wollte ich ihm erst eine Lehre erteilen.«
Seger nickte wieder. Sie murmelte einen kleinen Bindungszauber über seinen Rippen. Noch während sie sprach, verwandelte sich der Schmerz von einem scharfen Ziehen in einen dumpfen Druck. Dann wickelte Seger ein Tuch um Rugads Brustkorb.
»Ich hörte, wie die Wachen miteinander tratschten«, erklärte sie. »Da bin ich stehengeblieben, um zuzuhören.«
Rugad hielt still, während sie seine Schrammen auswusch, obwohl der Schmerz dabei stärker wurde. Er wollte unbedingt hören, was sie zu sagen hatte, aber er wollte sich seine Neugier nicht anmerken lassen.
»Sie sprachen über den Vorfall mit dem Golem.«
Seger hielt den Kopf gesenkt. Ihre Wangen hatten sich zart gefärbt. Rugad hatte sie noch nie erröten sehen. Also beunruhigten sie entweder die Neuigkeiten selbst oder die Entscheidung, Rugad davon zu erzählen.
Trotzdem schien sie keine Angst zu haben, sie war nur vorsichtig.
»Sie glauben, daß die Magie auf dieser Insel genauso stark ist wie Fey-Magie. Sie glauben, daß wir alle hier sterben werden.«
Rugad erschrak. Sein Puls und sein Atem beschleunigten sich. Ein dünner Schweißfilm brach ihm aus allen Poren. Er konnte nicht so tun, als läge es an den Verletzungen.
Seger hob den Kopf. Sie hatte tiefe Schatten unter den Augen, die Rugad vorher nicht aufgefallen waren.
»Wenn der mächtige Schwarze König der Fey zweimal von Inselbewohnern verwundet werden konnte, sind alle Fey in Gefahr, sagen sie.«
Die Männer hatten recht. Sie wußten es nur noch nicht. Sie alle waren in Gefahr, weil die Fey zum ersten Mal, seit Rugad Schwarzer König war, vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben, vielleicht sogar zum ersten Mal seit Generationen, den Glauben an ihre eigene Unbesiegbarkeit verloren hatten. Soldaten, die sich für unbesiegbar hielten, kämpften anders als solche, die Angst hatten.
Rugad öffnete schon den Mund, um nach den Namen der Wachen zu fragen, aber Seger legte ihm ihren kühlen Finger auf die Lippen.
»Es hat keinen Sinn, mich das zu fragen, Rugad«, sagte sie. »Schone deine verletzte Stimme dieses eine Mal. Ich wollte dir die Namen nennen. Ich habe sie mir auf dem Rückweg immer wieder vorgesagt, damit ich sie nicht
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