Fey 08: Im Zeichen der Schwerter
wieder nach Hause zu bringen. Trotz seiner Körpergröße und seines entstellten Gesichts war er ihr nicht gleichgültig.
Vielleicht würde sie ihn eines Tages sogar lieben.
Sollte er nicht lieber den Berg wieder hinabsteigen, in sein kleines Haus zurückkehren und versuchen, die unausweichliche Invasion der Fey lebend zu überstehen? Dann könnte er mit Marly und der ehemaligen Diebesbande zusammenwohnen und vielleicht ein ganz normales Leben führen.
Abgesehen von den Flammen, die auf seinen Fingerspitzen tanzten.
Matthias seufzte.
Es gab kein Zurück. Jetzt nicht mehr. Schon immer hatte der Berg ihn gerufen, aber Matthias hatte es auf sein Erbe geschoben, auf die Tatsache, daß er als Säugling die Grausamkeit des Berges überlebt hatte. Er hatte nie erwogen, den Berg tatsächlich zu besteigen.
Erst als er die Spuren der Fey sah und wußte, daß er keine andere Wahl hatte.
Daran hatte sich nichts geändert. Er konnte nicht mehr umkehren.
Außerdem hatte der Junge ihm etwas gegeben. Er hatte ihm gezeigt, wie er sich seine Fähigkeiten nutzbar machen konnte.
Matthias streckte die rechte Hand aus, wölbte sie und stellte sich einen Feuerball in der Mitte seiner Handfläche vor.
Eine kleine Kugel aus goldenem und orangefarbenem Feuer erschien, deren Farben auf Matthias’ blasser Haut spielten.
Matthias schloß die Hand und wünschte sich den Ball fort, und als er die Finger wieder öffnete, war die Handfläche leer. Keine Flammen, keine Brandwunden.
Nicht einmal eine Blase.
Du bist genau wie ich.
Du besitzt große Magie, heiliger Mann.
Große Magie.
Wenn Pausho nun unrecht hatte? Wenn Matthias’ Magie doch vom Roca stammte? Das Geschlecht des Roca ließ sich über Nicholas und seine halbblütigen Kinder hinaus zurückverfolgen, aber die Überlieferung berichtete nicht, was aus dem zweiten Sohn des Roca geworden war, dem religiösen Führer der Insel. Hatte auch er Kinder gezeugt? Gehörte Matthias seinem Geschlecht an? Womöglich auch der brennende Junge, dieser Coulter? Im Lauf der Generationen mochte sich die Linie so weit verzweigt haben, daß sie beide verwandt sein konnten, ohne es zu wissen.
Vielleicht hätte Matthias doch auf die anderen hören und schon früher akzeptieren sollen, daß er außergewöhnliche Fähigkeiten besaß.
Vielleicht hatte ihn der Berg nicht ohne Grund am Leben gelassen.
Er fröstelte jetzt nicht mehr, obwohl er am Rücken die Kälte des Felsens sogar durch die Kleidung spürte.
Auch seine Kopfschmerzen hatten nachgelassen.
Der Fünfzigste Rocaan, jener tiefreligiöse Mann, der geglaubt hatte, die leise ruhige Stimme Gottes zu vernehmen, hatte die Fey für die Soldaten des Feindes gehalten. Er glaubte, daß der Rocaan dieselbe Pflicht hatte wie der Roca selbst: die Soldaten des Feindes von der Blauen Insel zu vertreiben.
Aber trotz seiner Überzeugungen war der Fünfzigste Rocaan kein echter Nachfahre des Roca gewesen. Er war nur der zweitgeborene Sohn einfacher Bauern, und obwohl er der Erste der Rocaanisten war, besaß er nicht die Fähigkeiten eines Religionsführers.
Besaß Matthias vielleicht diese Fähigkeiten? Vielleicht waren er und seinesgleichen zu wahren Führern des Rocaanismus ausersehen. Vielleicht waren sie deshalb bei allen Glaubensspaltungen der Vergangenheit aus der Kirche ausgestoßen worden.
War dies das geheime Wissen, das die Weisen so eifersüchtig hüteten? Aber das ergab keinen Sinn. Denn wenn Matthias ein direkter Nachfahre des Roca war, hätten die Weisen alles tun müssen, um sein Leben zu schützen, statt zu versuchen, ihn zu töten.
Oder?
Matthias fühlte sich, als sei er eingeschlafen und in einer völlig veränderten Umgebung wieder aufgewacht. Als junger Mann war er dem Tabernakel beigetreten, weil dort feste Regeln herrschten. Außerdem garantierte ihm der Tabernakel eine Ausbildung, die Möglichkeit, sich ganz seinen geistigen Interessen zu widmen. Als Matthias dann in die höheren Ränge aufgestiegen war, hatte er festgestellt, daß er eine besondere Begabung besaß. Seine Gelehrsamkeit war außergewöhnlich, geschätzt, unentbehrlich. Er konnte sich ungestört seinen Studien hingeben, während ihm die Regeln des Tabernakels ein geordnetes Leben boten.
Tag für Tag wußte er, wie sein Leben verlaufen würde. Dann stieg er zum Ältesten auf und erreichte damit die höchste Ebene, die er im Tabernakel angestrebt hatte.
Rocaan zu werden war nie sein Wunsch gewesen. Er verabscheute es, Macht zu besitzen, schreckte im Innersten
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