Fey 08: Im Zeichen der Schwerter
davor zurück.
Weil er Dämonenbrut war? Weil man ihn in dem Glauben erzogen hatte, wertlos zu sein?
Oder weil es ihm tatsächlich an jener Glaubensstärke mangelte, die er an dem Fünfzigsten Rocaan immer bewundert hatte?
Aber der Fünfzigste Rocaan hatte Matthias selbst zu seinem Nachfolger ernannt. Er mußte seine Gründe gehabt haben.
Matthias seufzte. Jetzt richtete sich sein Tagesablauf schon lange nicht mehr nach festen Regeln. Der Tabernakel war ein für allemal zerstört. Matthias hatte keinen festen Platz mehr, und jedesmal, wenn er sich einen suchte, kam etwas dazwischen, was sein Weltbild erschütterte.
Er war kein dummer Mann. Aber er hatte viele Fehler.
Pausho und ihresgleichen glaubten, daß schon seine Geburt ein einziger Fehler war.
Wieder betrachtete er den Schimmer. Er konnte zu ihm hinaufsteigen und sich seiner Zukunft stellen, so unsicher, wie sie seit der Invasion der Fey war, und herausfinden, was er selbst Dunkles in sich trug. Oder aber er flüchtete sich in Marlys Arme und hoffte, mit dem Leben davonzukommen.
Hoffnung war noch nie seine Stärke gewesen.
Matthias stand auf, klopfte sich den Staub von den Kleidern, ging zu Tri hinüber und rüttelte ihn wach. Tri öffnete verschlafen und verwirrt die Augen.
»Ich muß eingeschlafen sein«, entschuldigte er sich dann. »Wer hätte das nach dieser Nacht für möglich gehalten.«
»Wir steigen höher hinauf«, verkündete Matthias.
Tri nickte. »Das habe ich mir schon gedacht. Du konntest noch nie einem Rätsel widerstehen.«
»Du hältst es für ein Rätsel?«
»Es ist etwas, von dem Pausho weiß, daß du es nicht weißt«, gab Tri zurück.
»Und du?«
Tri schüttelte den Kopf. »Ich war ein schlechter Weiser. Ich habe nie so viel darüber gelernt, wie ich eigentlich sollte und habe mich obendrein noch mit Leuten wie dir abgegeben.«
Matthias gestattete sich zu lächeln, obwohl die Bewegung unangenehm an seinen noch nicht verheilten Wunden spannte. Er klopfte Tri auf die Schulter und ging weiter zu Denl und Jakib. Die beiden kauerten aneinandergelehnt unter dem Steindach. Trotz der unwirtlichen Umgebung war der Ort, den der Junge sich als Unterschlupf ausgesucht hatte, gemütlich.
»Wir steigen höher«, verkündete Matthias.
Denl öffnete so rasch die Augen, als hätte er bloß gedöst. »Soll’n wir uns nich’ lieber erst Waffen und so was holen, bevor wir weitergehn?«
Matthias ballte die Fäuste und erinnerte sich an das Gefühl von Feuer auf seiner Haut. »Wir brauchen keine Waffen.«
»Ich hab Marly versprochen, daß du heil zurückkommst«, erinnerte Jakib. Er preßte eine Hand an die Stirn und sah ziemlich erledigt aus.
»Das werde ich auch«, versprach Matthias.
»Was glaubst du denn, was da oben is?« fragte Denl.
»Die Fey«, antwortete Matthias. Und noch etwas anderes. Etwas, das ihn rief. Das ihn stärker anzog als alles andere.
Wieder musterte er den rätselhaften Schimmer.
Der Tag war noch nicht zu Ende. Es gab noch viel zu entdecken.
Wenn der Berg es zuließ.
Wenn der Berg ihn am Leben ließ.
Zum zweiten Mal.
28
Seine Tochter war schwer.
Nicholas trug Arianna jetzt über der Schulter statt auf den Armen. Ihre schlaffen Arme baumelten auf seinem Rücken, ihr Kinn schlug ihm bei jedem Schritt gegen die Wirbelsäule und ihre Füße gegen seine Beine. Nicholas hatte gar nicht gemerkt, wie groß Arianna geworden war. Das hochgewachsene, schlanke Mädchen besaß ein beträchtliches Gewicht, um so mehr jetzt, wo es wie leblos war. Nicholas hatte fast das Gefühl, eine Tote zu schleppen.
Immerhin atmete Arianna noch selbständig. Solange Nicholas sie berührte, würde sie sich nicht wieder Wandeln, hatte die Schamanin versichert. Solange sie für Nicholas noch Arianna war und nicht etwas anderes.
Trotzdem ertappte Nicholas sich bei dem Wunsch, Arianna hätte ihre Eidechsengestalt beibehalten. Dann könnte er sie auf der flachen Hand tragen und sich außerdem noch auf den Pfad konzentrieren.
Falls man das überhaupt einen Pfad nennen konnte.
Endlich war die Sonne über diesen Teil des Gebirges emporgestiegen. Der Boden war rot, die Felsen waren rot, und Nicholas selbst war mit rotem Staub bedeckt. Trotzdem war die Luft kalt, auf den Gipfeln über Nicholas lag Schnee.
Die Schamanin hütete einen kleinen Wasservorrat, von dem sie Nicholas in regelmäßigen Abständen ein paar Schlucke zuteilte. Dazu kaute er im Gehen kleine Brocken Tak. Vor ihm hastete die alte Frau, ohne darauf zu achten,
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