Fey 09: Die roten Klippen
Stück Fleisch heraus, das sein Vater nach Fey-Art geräuchert hatte. Er teilte es gerecht in zwei Hälften, die ziemlich kümmerlich ausfielen, denn das Essen mußte für mehrere Tage reichen, und kaute.
Das Rauchfleisch war salzig und nahezu ungenießbar. Luke hätte gern etwas Wasser aus dem Bach geholt, um die Bissen hinunterzuspülen.
Con sah todmüde aus. Er schlang sein Essen hinunter, und dann fielen ihm auch schon die Augen zu. Trotzdem hatte er immer noch eine Hand auf dem Schwertknauf. Luke fragte sich, wie viele Nächte Con schon in dieser Haltung verbracht hatte.
Es war prächtiges Wetter, wenn auch kühler als in der vergangenen Woche. Eine leichte Brise strich durch Lukes Haar, und einen Augenblick lang wünschte er, alles wäre noch wie früher. Er wäre wieder auf seinem eigenen Hof, lauschte dem Rascheln seiner eigenen Maispflanzen und arbeitete auf seinem eigenen Grund und Boden.
Luke seufzte, beendete sein kärgliches Mahl und wollte gerade von seinem Ziegelhaufen hinunterklettern, als er plötzlich Stimmen hörte. Er erstarrte und hob langsam den Kopf, bis das Gehöft in seinem Blickfeld erschien. Dort war nichts zu sehen.
Dann lugte er hinter dem Schornstein hervor. Die ganze Straße war voller Fey, eine komplette Infanterieeinheit, die genau in die Richtung marschierte, aus der er und Con gerade gekommen waren. Aber die Soldaten wirkten nicht besonders müde. Offenbar kamen sie aus einem der kleinen Stützpunkte, die die Fey überall in der Gegend eingerichtet hatten.
Sie hielten auf das Feuer zu. Was würden sie wohl tun, wenn sie dort ankamen? Nach den Verursachern des Brandes fahnden? Und was würden sie mit ihnen machen, wenn sie sie erwischten?
Luke überlief es eiskalt. Er hatte nicht erwartet, daß die Fey so schnell Wind von der Sache bekommen würden. Er blickte zum Himmel, aber dort waren weder Vögel noch kleine Glitzerpunkte zu sehen. So weit, so gut. Anscheinend hatte sie bis jetzt niemand entdeckt.
Mit der linken Hand rüttelte er Con vorsichtig wach. Der Junge setzte sich kerzengerade auf und umklammerte seinen Schwertknauf. Luke legte den Finger auf die Lippen und wies in Richtung Straße. Con drehte sich langsam um und wieder zurück. Sein Gesicht war totenbleich.
Lukes Herz pochte im Marschrhythmus der Fey-Stiefel. Er preßte sich gegen den Schornstein und versuchte, sich so klein und unsichtbar wie möglich zu machen. Sie saßen auf offenem Gelände in der Falle und konnten nichts anderes tun, als abzuwarten, bis die Fey vorübergezogen waren.
31
Nicholas kauerte vor dem Springbrunnen auf dem Boden und lehnte die Stirn gegen den kühlen Beckenrand. Das Geräusch des rieselnden Wassers wirkte beruhigend auf ihn.
Er wartete immer noch auf Jewels Rückkehr. Sie war schon ziemlich lange verschwunden, und Nicholas fragte sich, was das zu bedeuten hatte. Er befürchtete, daß sie womöglich nie mehr zurückkommen würde.
Arianna schlummerte auf ihrer behelfsmäßigen Lagerstatt, den zusammengeknüllten Umhang als Kissen unter dem Kopf. Neben ihr hockte Coulter wie ein Wachhund. Nicholas betrachtete den Jungen kritisch. Wahrscheinlich könnte er ihn sogar gern haben, wenn er bloß nicht so offensichtlich von Arianna fasziniert wäre.
Hatten alle Väter derartige Gefühle? Vielleicht konnte er jetzt Rugars Reaktion auf Jewels Vermählung begreifen.
Nicholas mußte lächeln. Rugar war beileibe kein typischer Vater gewesen. Kein Mitglied der Schwarzen Familie war typisch, nicht einmal Nicholas’ eigene Kinder. Gabe saß auf der Treppe und unterhielt sich mit Adrian. Fledderer polierte seine Waffen, und Leen half ihm dabei. Um die Wunden der Rotkappe durfte sie sich allerdings nicht kümmern. Es waren zwar nur Abschürfungen und kleine Schnitte, aber bei seiner Rückkehr hatte Fledderer doch ziemlich mitgenommen ausgesehen.
Jeder Sieg hat seinen Preis, hatte er bloß gemeint. Der Sieg über einen Zaubermeister.
Ein Fey-Zaubermeister. Draußen vor den Toren dieses Ortes der Macht. Nicholas konnte nicht aufhören, darüber nachzugrübeln. Es verunsicherte ihn und führte ihm nur allzu deutlich vor Augen, wie heikel ihre Situation tatsächlich war. Diesmal hatten Adrian und Fledderer sie noch gerettet, aber in Zukunft? Was wäre passiert, wenn der Zaubermeister ihnen in die Höhle gefolgt wäre? Zwar besaß auch Coulter magische Fähigkeiten, aber er war jung und unerfahren. Mit einem älteren und weiseren Mann hätte er es nicht aufnehmen können.
Nicholas
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