Fey 09: Die roten Klippen
vorgesehen?«
»Du kannst auch ganz passabel mit dem Schwert umgehen«, meinte Jewel. Gabe übersetzte wieder. Jewel ließ seine Hände los und trat zu Nicholas. »Daran kann ich mich noch gut erinnern.«
»Ja, ich kann kämpfen«, bestätigte Nicholas.
»Bei den Fey ist der König zugleich der Oberbefehlshaber.«
»Du machst das doch hervorragend«, wehrte Nicholas ab.
»Ich berate dich nur, Nicky. Die Befehle erteilst du.« Sie kam noch näher und hakte sich bei ihm ein. Sie fühlte sich weich, warm und wirklich an. Nicholas fragte sich, warum die anderen sie nicht sehen konnten, wo sie ihm doch so lebendig schien.
»Aber allein schaffe ich es nicht«, wandte er ein.
»Dein Erbe wird dir helfen«, erwiderte Jewel.
Nicholas blickte sie stirnrunzelnd an. »Mein Erbe?«
»Dein Roca«, erklärte sie. »Sein Blut fließt in deinen Adern.«
»In Gabes und Ariannas auch.«
»Magie kann man nicht immer sehen, Nicholas«, erläuterte Jewel. »Manchmal zeigt sie sich in ganz kleinen Dingen. Zum Beispiel in der Fähigkeit, Kräfte zu wecken, die bis jetzt geschlummert haben.«
»Davon habe ich leider noch nicht allzuviel gemerkt«, seufzte Nicholas. Es war ihm peinlich, das Ausmaß seiner Fähigkeiten, oder ihr Fehlen, vor den anderen mit Jewel zu diskutieren. Aber diesmal nahm sie keine Rücksicht auf seine Empfindlichkeit.
»Es ist auch nicht ohne weiteres zu merken. Aber Arianna …«
»Die Schamanin hat immer behauptet, die besonderen Fähigkeiten unserer Kinder rührten von ihrem gemischten Blut her«, unterbrach sie Nicholas, der nicht wollte, daß sie weitersprach, geschweige denn, daß Gabe zuhörte und übersetzte.
»Das stimmt auch«, bestätigte Jewel. »Aber die Tatsache, daß ihre Fähigkeiten so ungewöhnlich sind, zeigt, daß auch dein Geschlecht großen Einfluß besitzt.«
»Unterschwelligen Einfluß.«
»Unsichtbaren Einfluß«, gab Jewel zurück. Sie ließ den Blick über die Höhlenwände schweifen. »Wir befinden uns hier an einem Ort der Macht, Nicholas.«
Nicholas folgte ihrem Blick nicht. »Ja«, stimmte er zögernd zu.
»Alle diese Gegenstände besitzen magische Eigenschaften.«
»Religiöse Eigenschaften«, korrigierte Nicholas.
»Man hat sie zu religiösen Zwecken benutzt«, widersprach Jewel und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. »Dein Volk verehrt das Schwert, aber es kämpft nicht damit. Ihr verehrt das geweihte Gift …«, bei diesen Worten schüttelte sie sich leicht, »… habt es aber vor der Ankunft der Fey nie richtig eingesetzt. Erst Matthias …«, jetzt schwang Abscheu in ihrer Stimme mit, »… erst Matthias und seine Magie haben das geweihte Gift zur Waffe gemacht. Ich schätze, auch er stammt irgendwie von eurem Roca ab.«
»Willst du damit etwa sagen, daß Matthias und ich miteinander verwandt sind?« fragte Nicholas ungläubig.
Jewel zuckte die Achseln. »Wenn der Schleier ein wenig gelüftet wird, können Mysterien die Wahrheit erkennen. Matthias stammt vom jüngeren Sohn des Roca ab, du vom älteren. Als die Fey die Insel überfielen, war er zufällig am rechten Ort. Aber er ist mit seinen Fähigkeiten zu verschwenderisch umgegangen. Magie zu besitzen, Nicky, ist nicht gleichbedeutend mit Klugheit.«
»Ich bin kein Zaubermeister«, sträubte sich Nicholas.
»Nein, das bist du nicht«, stimmte Jewel zu. »Aber vielleicht besitzt du Fähigkeiten, die in Familien, die einen Ort der Macht entdecken, einfach üblich sind. Auch du kannst vielleicht Gegenstände zu magischen Waffen umfunktionieren.«
»Wieso nur vielleicht?« fragte Arianna.
Nicholas drehte sich um. Er hatte ganz vergessen, daß seine Tochter zuhörte. Er hatte alle anderen vergessen. Er spürte, daß er rot wurde.
»Du hast doch eben behauptet, daß du die Wahrheit sehen kannst, wenn der Schleier gelüftet wird«, fuhr Arianna fort.
»Aber ich sehe nicht alles«, erwiderte Jewel freundlich. »Es ist ähnlich wie mit Visionen. Man kann sie nicht erzwingen.«
»Es muß doch furchtbar für dich sein, daß Matthias genauso ein Abkömmling des Roca ist wie König Nicholas«, warf Adrian ein. Er schien zwar einzusehen, daß sie auf Jewels Hilfe nicht verzichten konnten, aber er konnte sie offenbar trotzdem nicht leiden. Warum sollte er auch? Was sie seiner Familie angetan hatte, war nie wiedergutzumachen.
»Unsere Herkunft ist nicht dasselbe wie unsere Bestimmung«, antwortete Jewel. »Sonst könnte ja jeder meiner Brüder den Schwarzen Thron erben.«
»Du meinst also, wir brauchen
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