Fey 09: Die roten Klippen
der andere fähig ist. Jewel hat mich niemals belogen. Durch unsere Heirat wurde die Blaue Insel dem Reich der Fey zugeschlagen. Das war unvermeidlich. Aber wir waren auf dem besten Wege, unabhängig zu werden. Es gab keine Pläne für eine Invasion. Der Mord an ihrem und meinem Vater hat diese Vereinbarung zunichte gemacht. Ich bedauere das, was Jewel dir und deiner Familie angetan hat, aber damals war sie noch keine Allianz mit mir eingegangen. Und jetzt hat sie sich entschlossen, zu mir und meiner Familie zurückzukehren. Sie will jetzt mit uns gemeinsam gegen den Schwarzen König kämpfen. Das mußt du dir immer vor Augen halten.«
Adrian schüttelte den Kopf. »Du darfst niemals vergessen, wie listig sie ist. Sie versprach meinem Sohn die Freiheit. Statt dessen aber hat sie ihn verhext. Er hätte beinahe den Einundfünfzigsten Rocaan umgebracht.«
»Als das passierte, war Jewel schon tot. Jemand anders hat diesen Befehl gegeben«, widersprach Nicholas.
Gabe lauschte aufmerksam. Er hörte zum ersten Mal von diesen Ereignissen. Arianna ging es offenbar genauso, denn sie starrte ihren Vater fassungslos an.
»Es wäre besser gewesen, Matthias wäre damals gestorben«, sagte Jewel. Diesen Satz wiederholte Gabe nicht.
»Du kannst nicht alles entschuldigen, was sie getan hat«, entgegnete Adrian.
»Das tue ich auch nicht«, antwortete Nicholas. »Aber sie ist meine Frau. Sie ist gekommen, um uns gegen die Magie der Fey, die Mächte dieser Höhle oder die Kombination von beidem beizustehen, ich weiß es nicht genau. Wir brauchen ihre Hilfe. Dringend. Ich kann es einfach nicht zulassen, daß du ihr ständig widersprichst und ihre Autorität untergräbst.«
»Also heißt es sie oder ich?« fragte Adrian. Gabe blickte ihn ungläubig an. Wo war nur Adrians Ehrfurcht geblieben? Noch vor wenigen Stunden war er stolz darauf gewesen, in der Nähe des Königs zu sein. War die Ehrfurcht in dem Augenblick verschwinden, als er dachte, Jewel hätte versucht, Coulter zu töten?
»Wenn du es so weit kommen lassen willst«, erwiderte Gabes Vater. »Offen gesagt brauche ich, brauchen wir alle, Jewel nötiger als dich.«
»Adrian«, bat Coulter. »Hör auf. Bitte.« Die Worte waren nicht lauter als ein Hauch.
Adrian schüttelte eigensinnig den Kopf. »Fünf Jahre Gefängnis. Nie habe ich die Sonne gesehen. Nie den Wind auf meinem Gesicht gespürt. Ich war ein Ausgestoßener, und ich tat es für etwas, woran ich glaubte, für eine hinterlistige Lüge, die sie mir erzählt hatte.«
»Aber wenn du nicht bei den Fey gewesen wärst, wäre ich jetzt nicht hier«, gab Coulter zu bedenken.
Adrian sah ihn einen Augenblick an, als habe er daran noch gar nicht gedacht. Dann schloß er die Augen und senkte den Kopf. Es war das Zeichen, daß er nachgab, und alle wußten es.
Gabes Vater stieß einen verhaltenen Seufzer aus und richtete erneut seine gesamte Aufmerksamkeit auf Jewel. Arianna beobachtete immer noch Adrian, als habe er etwas gesagt, das sie nicht erwartet hatte. Was hatte sie bisher von ihrer Mutter gehört? Was wußte sie von ihr? Nur das, was Nicholas ihr erzählt hatte, sonst so gut wie nichts. Gabe hatte von den Fey viel über seine Mutter erfahren. Er wußte alles, aber über die Liebe zwischen seinen Eltern hatten sie geschwiegen.
Wie sonderbar, wie einzigartig mußte es gewesen sein, sich mitten im Krieg kennenzulernen. Während Gabe, ebenso wie alle anderen Fey, immer vermutet hatte, es hätte sich bei dieser Heirat um eine reine Vernunftehe gehandelt, war es in Wirklichkeit eine Liebesbeziehung zwischen zwei gleich starken Partnern gewesen.
Von dieser Verbindung und der Hoffnung auf Frieden waren nur zwei Menschen übriggeblieben: Gabe und Arianna.
Gabe fragte sich, ob Arianna erst jetzt begriff oder ob sie schon immer gewußt hatte, wie wichtig sie war.
Kein Wunder, daß Nicholas den Schwarzen König so erbittert bekämpfte. Er versuchte nicht nur, sein Land und seine Kinder, sondern auch jenen Traum zu retten, den er gemeinsam mit einer Frau geträumt hatte, die bis vor wenigen Tagen eine lange Zeit tot gewesen war.
»Also diese Veränderungen«, sagte Nicholas jetzt leise zu Jewel, »diese Veränderungen in der Luft, in der Magie, haben dich angegriffen?«
Er klang sehr verwundbar, und nicht zum ersten Mal fragte sich Gabe, was die beiden hinter dem Brunnen getan hatten. Jewel war in dieser Höhle körperlich anwesend. Hatten sie etwa …?
Gabe schüttelte den Gedanken ab. Er wollte nicht weiter darüber
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