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Fiasko

Fiasko

Titel: Fiasko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Gespött machte. Man lag im Kampf mit dem übermächtigen Eindruck einer boshaft auf die Expedition losgelassenen Perfidie, gerade so, als sei jemandem — aber wem? — daran gelegen gewesen, sie alle herauszufordern: mit einer Hoffnung, die sich erst am Ende des Weges, erst am Ziel als trügerisch erweisen sollte… Wer von diesem Gedanken geplagt wurde, verbarg es, um mit seiner Schwarzseherei nicht die Gefährten anzustecken. Nach siebzig Stunden fruchtloser diplomatischer Emission entschloß sich Steergard, eine erste Landefähre, GABRIEL genannt, zur Quinta zu schicken. Der Botschafter kündigte das achtundvierzig Stunden vor dem Start an und teilte den Quintanern mit, die Sonde sei völlig unbewaffnet und werde in Heparien, dem großen nördlichen Kontinent, landen, hundert Meilen von einer sternförmigen Bebauung entfernt, m unbewohnter Wüstengegend. Es handle sich um einen unbemannten Gesandten, mit dem die Heparianer sich in der Maschinensprache verständigen könnten. Obgleich auch diese Ankündigung vom Planeten nicht beantwortet wurde, brachte man im Aposelenium GABRIEL auf seine Bahn. Es war eine zweistufige Rakete mit einem Mikrocomputer, der neben den Standardprogrammen für den Kontakt auch über die Fähigkeit verfügte, diese bei unvorhergesehenen Umständen zu revidieren und zu ändern. Polassar hatte GABRIEL mit dem effektivsten der an Bord mitgeführten kleinen Terajoule-Triebwerke ausgerüstet, damit er die vierhunderttausend Kilometer bis zu dem Planeten in etwa einer Viertelstunde, mit einer Gipfelgeschwindigkeit von sechshundert Kilometern pro Sekunde, zurücklegen konnte. Erst über der Ionosphäre sollte er bremsen. Die Physiker wären durch Relaissonden, die man ihm vorausgeschickt hätte, gern in ständigem Kontakt mit ihm geblieben, aber der Kommandant verwarf solche Pläne. GABRIEL sollte auf sich selbst angewiesen bleiben und erst nach der weichen Landung Informationen übermitteln — über Wellen, die durch die Atmosphäre der Quinta gebündelt und auf den HERMES gerichtet werden sollten.
       Eine vorherige Dislozierung von Relais in dem Raum zwischen dem Mond, hinter dem der HERMES sich verbarg, und dem Planeten hätte bemerkt werden und das Mißtrauen der paranoiden Zivilisation verstärken können. Der einsame Flug des GABRIEL unterstrich die Friedfertigkeit seiner Aufgabe.
       Der HERMES verfolgte diesen Flug, der von den ausgefahrenen Spiegeln des Botschafters reflektiert wurde, wegen der Entfernung, aus der die Retransmission erfolgte, mit fünfminütiger Verspätung. Der phantastisch gekühlte Spiegelreflektor des Botschafters lieferte ein einwandfreies Bild. GABRIEL führte Manöver aus, die eine Ortung seines Mutterschiffs unmöglich machten, und erschien gleich darauf als dunkle Nadel vor dem weiß bewölkten Hintergrund der Planetenscheibe. Acht Minuten waren vergangen, als die Männer vor den Bildschirmen plötzlich erstarrten: Statt weiter dem vorgesehenen Landeplatz in Hepanen zuzustreben, zog GABRIEL in einer Kurve mit wachsendem Radius nach Süden und verlor vorzeitig Geschwindigkeit. Die Ursache wurde auf der Stelle sichtbar — im Subtropengürtel schössen vier schwarze Punkte auf GABRIEL zu, zwei von Osten und zwei von Westen, alle auf mathematisch idealen Jagdbahnen. Die östlichen Verfolger hatten die Distanz zu d m Gejagten bereits verfingen, als dieser seine Gestalt veränderte, aus einer Nadel zu einem Punkt wurde, umgeben von blendendem Glanz. Er hatte mit vierhundertfachem Andruck abgebremst und schoß, statt auf dem Planeten niederzugehen, kerzengerade nach oben. Auch die vier Jäger änderten den Kurs, näherten sich, einander GABRIEL hing scheinbar reglos im Zentrum des Trapezes, dessen Ecken die Verfolger bildeten. Das Trapez schrumpfte — ein Zeichen, daß auch die Jäger von der orbitären in die hyperbolische Bewegung übergegangen waren und, die Glut erhöhten Schubs speiend, einander näher kamen.
       Steergard hätte den Programmierer Rotmont jetzt gern fragen mögen, was GABRIEL denn nun anstellen werde, da die von den Abfängern ausgestoßene Glut auf eine gewaltige Antriebsleistung schließen ließ. Jäger und Gejagter entwickelten eine solche Rückstoßenergie, daß in dem weißen Wolkenmeer ein breiter Trichter entstand. In der verdunkelten Steuerzentrale war es still. Keiner der Männer, die dieses einzigartige Schauspiel verfolgten, sagte ein Wort. Die vier Punkte kamen GABRIEL immer näher. Der Dopplersche Entfernungsmesser

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