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Fiasko

Fiasko

Titel: Fiasko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Absichten der Menschen überzeugen, ihnen „Grußgeschenke“ zukommen lassen und die Reaktion abwarten.
       El Salam und Gerbert waren ähnlicher Meinung. Steergard verfuhr dann doch nach eigenem Ermessen. Die „Grußgeschenke“ konnten vor der Landung kaputtgehen, das Schicksal der Fünferpatrouille um den Quinta-Mond war Fingerzeig genug. Er schoß einen großen Orbiter zur Sonne, damit dieser der Quinta als ferngesteuerter Botschafter die „Beglaubigungsschreiben“ überreichen konnte. Sie wurden als Lasersignale abgesetzt, die imstande waren, die Rauschhülle des Planeten zu durchdringen. Durch einen Redundanzcode wurde den Empfängern die Lehre erteilt, wie sie Kontakt aufnehmen konnten. Der Botschafter sendete das Programm ein paar hundertmal. Die Antwort war dumpfes Schweigen.
       Drei Wochen lang wurde der Text der Botschaft auf alle mögliche Weise variiert — es gab keine Reaktion. Die Emissionsleistung wurde erhöht, die Lasernadel wanderte über die gesamte Planetenoberfläche, im Infrarot und Ultraviolett, in allen möglichen Modulationen. Der Planet gab keine Antwort.
     
       Der Botschafter stopfte sich bei der Gelegenheit mit Details des Äußeren der Quinta voll und übermittelte sie dem HERMES. Auf den Kontinenten befanden sich Agglomerationen vom Ausmaß der großen Ballungszentren auf der Erde. Nachts waren sie unbeleuchtet, sie hatten die Form platter Sterne, ihre strauchartigen Verzweigungen gaben eine metalloide Reflexion. Von den Ausläufern gingen gerade Linien ab wie Verkehrsadern, auf denen sich aber nichts bewegte.
       Je schärfere Bilder man über den Botschafter gewann (er war ein bißchen zum Kundschafter geworden), desto offensichtlicher erwiesen sich die von der Erde übernommenen Vermutungen als Unsinn. Die Linien waren weder Straßen noch Pipelines, und das Gelände dazwischen sah oft nur so aus wie Wald. Der vermeintliche Baumbestand wurde von einem Gewimmel regelmäßiger Blöcke mit zerzausten Schößlingen gebildet. Ihre Albedo ging fast auf Null: Sie schluckten mehr als 99 Prozent des einfallenden Sonnenlichts. Man Konnte sie folglich für Fotorezeptoren halten. Vielleicht hatte die Quinta auf diese Weise auch die „Beglaubigungsschreiben“ geschluckt, sie mit ihren Empfängern nicht als Information, sondern als Energiezufuhr behandelt? Der vor der Sonnenscheibe bisher unsichtbare Botschafter gab nun her, was er konnte. Er strahlte im Infrarot „Botschaften“ ab, die die Sonnenradiation in diesem Bereich hundertfach übertrafen. Nach gesundem Menschenverstand mußte er mit diesem kohärenten Licht die Wellenschlucker beschädigen, das Wartungspersonal hätte die Havarie und ihre Ursachen zu untersuchen gehabt, früher oder später würden höhere Fachleute dahinterkommen, daß die Strahlung Signalcharakter habe. Doch erneut vergingen Tage, und alles blieb, wie es war.
       Die auf den Fotos festgehaltenen Bilder der Tag- und Nachthalbkugel des Planeten mehrten noch die Rätsel. Nach Sonnenuntergang wurde die Dunkelheit durch nichts erhellt — die beiden mit steilen, schneebedeckten Gebirgsketten aus dem Ozean ragenden Kontinente leuchteten nachts nur im gespenstischen Schein des Polarlichts, aber auch dieses Flakkern, das den unbewölkten Eisfeldern der Polkappen einen schauerlichen grüngoldenen Glanz verlieh, huschte nicht beliebig umher, sondern schien von einer unsichtbaren Riesenfaust gegen die Drehrichtung der Quinta gekehrt zu werden. Weder auf den Binnenseen der beiden ausgedehnten Festländer noch auf offenem Meer waren Schiffe zu entdecken, und da auf den Ausläufern der Geraden, die schnurstracks durch die bewaldeten Ebenen und die sich übereinander türmenden Bergrücken schnitten, ebenfalls keinerlei Bewegung war, konnten diese nicht dem Verkehr dienen. Dem Ozean der Südhalbkugel entragten wie unzählige, auf den uferlosen Wassern verstreute Perlen die erloschenen Vulkane scheinbar unbewohnter Archipele. Der einzige Kontinent dieser Halbkugel lag direkt am Pol unter einem riesigen Gletscher. Aus dem matten Silber seines ewigen Eises ragten vereinzelte Felsspitzen hervor, die Gipfel von Achttausendern, die unter der Eishülle verschlossen lagen. Im Tropengürtel, unter dem gefrorenen Ring, tobten Tag und Nacht Unwetter, deren Entladungen in violetten Blitzen vom Schild des Eises wie von einem schwindelerregend dahinjagenden Spiegel reflektiert und verstärkt wurden. Das Fehlen jeglicher Spur zivilisatorischer Betriebsamkeit, das

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