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Fiasko

Fiasko

Titel: Fiasko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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und der Beschleunigungsmesser ließen ihre roten Ziffern am Rande des Blickfelds rasen, als mäßen sie die Zahlen scheffelweise. Die Geschwindigkeit war kaum ablesbar.
       GABRIEL war nicht mehr im Vorteil, er hatte Zeit für den Bremsvorgang und die Umkehr verloren, die Verfolger hatten unaufhörlich beschleunigen können und nahmen ihn nun in die Zange. GOD markierte auf dem Bildschirm den voraussichtlichen Schnutpunkt der fünf Flugbahnen. Den Meßgeräten zufolge konnte alles nur noch zwölf bis sechzehn Sekunden dauern. Diese Zeit kann selbst dem Menschen, der millionenfach langsamer als ein Computer denkt, sehr lang werden, noch dazu m Momenten hochgespannter Aufmerksamkeit. Steergard wußte selber nicht, ob es ein Fehler gewesen war die Sonde nicht wenigstens mit Defensivwaffen auszurüsten. Er fühlte sich überwältigt von einer ohnmächtigen Wut GABRIEL besaß nicht einmal eine Ladung, um sich selbst zu sprengen.
       Auch ehrenwerte Absichten müssen ihre Grenzen haben konnte der Kommandant in Gedanken eben noch konstatieren, als das Viereck der Jagd auf das Maß eines winzigen Buchstaben schrumpfte. Obwohl Jäger und Gejagter sich von dem Planeten bereits um dessen Durchmesserweite entfernt hatten, brachte der Schlag ihres Rückstoßes das Zirrusmeer zum Brodeln, ein Wolkenfenster riß auf und gab den Blick frei auf den Ozean und die unregelmäßige Küstenlinie Hepariens.
       Wolkenfetzen vergingen in der Öffnung wie Zuckerwatte in der Hitze.
       Der dunkle Hintergrund des Ozeans verschlechterte die Sicht. Nur die unvermindert rot flimmernden Ziffern des Entfernungsmessers sagten etwas aus über die Situation GABRIELS. Die Jäger hatten ihn von vier Seiten umzingelt, sie waren da. Das Wolkenfenster bauchte sich plötzlich aus, als wüchse der Planet wie ein gewaltig geblähter Ballon, die Gravimeter gaben ein scharfes Knacken von sich, die Bildschirme erloschen, aber gleich darauf war das Bild wieder da. Das trichterförmige Wolkenfenster war wieder klein, weit weg und völlig leer.
       Steergard erriet nicht sogleich, was vorgefallen war, und warf einen Blick auf die Entfernungsmesser. Überall blinkten rote Nullen.
       „Jetzt hat er sie zur Schnecke gemacht!“ sagte jemand, Harrach wahrscheinlich, mit grimmiger Genugtuung. „Was ist da passiert?“ fragte Tempe verständnislos.
       Steergard wußte es inzwischen, sagte aber nichts. Er war von der eisernen Gewißheit erfüllt, daß er, wenn er den Versuch wiederholte, eher das Raumschiff aufs Spiel setzte, als daß er die Aufnahme des Kontakts erzwang. In Gedanken schon weit von diesem ersten Scharmützel entfernt, grübelte er darüber nach, ob er weiter dem festgelegten Programm folgen sollte. Er hörte dabei kaum auf die erregten Stimmen im Steuerraum.
       Rotmont mühte sich mit einer Erklärung ab, was GABRIEL gemacht hatte, ohne daß sein Kundschaftsauftrag das vorsah. Fr hatte durch eine siderale Implosion eine Quetschung des Raums und damit auch der Verfolger herbeigeführt. „Er hatte doch gar keinen Siderator!“ rief Tempe ver-blüfft. „Nein, aber er konnte einen herstellen, er besaß ja ein Teratrontriebwerk. Er drehte es, indem er es kurzschloß, und lenkte die sonst dem Antrieb dienende Energie ins eigene Innere — mit voller Pulle! Es war ein ganz schlauer Trick, ein riskantes Pokerspiel, aber GABRIEL machte es zum Bridge. Er kam mit dem höchsten Trumpf heraus: Nichts geht über den Zusammenbruch von Schwerefeldern. Dadurch hat er sich nicht schnappen lassen.“
       „Warte mal!“ Tempe begann den Vorgang zu begreifen.
       „Hat er das im Programm gehabt?“
       „Aber nein! Er hatte Terawatts im Annihilationstriebwerk und volle Autonomie. Er spielte va banque. Das war eine Maschine, mein Lieber, kein Mensch. Also war es kein Selbstmord. Der Hauptdirektive zufolge durfte er sich manipulieren lassen — aber erst nach der Landung.“
       „Hätte man ihm nach dieser Landung nicht das Teratron entfernen können?“ erkundigte sich Gerbert erstaunt. „Wie denn? Das gesamte Hecksegment einschließlich des Teratrons sollte beim Eintritt in die Atmosphäre schmelzen. Nach dem Anschmelzen des Stators hätte der innere Druck die Pole auseinandergesprengt, und zusammen mit der Kraftzentrale wäre alles in Klump gegangen. Noch dazu ohne die geringste Radioaktivität. Landen sollte nur das Bugsegment — um einen freundschaftlichen Small-talk mit den Gastgebern zu führen…“
       „Hol der

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