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Fiasko

Fiasko

Titel: Fiasko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Nichtvorhandensein von Hafenstädten in den Mündungen der Ströme, die gewölbten Metallschilde in den Gebirgskesseln die deren Grund mit einem nur spektrochemisch von natürlichem Gestein unterscheidbaren Panzerbelag verschlossen, die Abwesenheit jeglichen Flugverkehrs bei Vorhandensein von etwa hundert von niedrigen Gebäuden gesäumten Kosmodromen mit glatter Betondecke — all das machte die Schlußfolgerung unabweislich, daß jahrhundertelange Kämpfe die Quintaner ins Innere des Planeten gedrängt hatten, daß sie in diesem Untergrund ihr Leben führten, zur Beobachtung des Raums, von Himmel und Universum, angewiesen auf den metallenen Blick der Radioelektronik.
       Wärmedifferenzmessungen entdeckten an der Oberfläche von Norstralien und Heparien thermische Flecken, so etwas wie Höhlenstädte, miteinander verbunden durch tief in den Boden gewühlte Gänge. Die genaue Strahlungsanalyse schien diese Vermutung jedoch Eugen zu strafen. Jeder der ausgedehnten Flecken, die vierzig Meilen Durchmesser erreichten, zeichnete sich durch einen sonderbaren Gradienten der abgeschiedenen Wärme aus: Am heißesten war das Zentrum, die Quelle der Strahlung aber lag unter der Lithosphäre, an der Grenze des Mantels.
     
       Sollten die Quintaner die Energie aus dem flüssigen Kern ihres Planeten beziehen? Die riesigen, geometrischen regelmäßigen Felder, die man ursprünglich für landwirtschaftliche Nutzflächen gehalten hatte, waren in Wirklichkeit millionenfache Konzentrationen kegelförmiger Stümpfe, einer kilometerweiten Pflanzung von Pilzen aus Keramik gleichend. Sende- und Empfangsantennen für Radar — so lautete das abschließende Urteil der Physiker. Der Planet schien sich bewußt unter Wolken, Gewittern und Wirbelstürmen zu verkriechen, auf der Lauer liegend unter dem unablässigen Ruf der Signale, die um ein Echo, eine Antwort baten.
       Ohne sicheres Ergebnis blieben die unter dem Zeichen der Archäologie angestellten Beobachtungen — um Spuren einer historischen Vergangenheit zu finden, Ruinen von Städten Entsprechungen irdischer Kult- und Sakralbauten wie Tempel und Pyramiden, antike Metropolen. Waren sie durch Kriege spurlos verwüstet worden oder Menschenaugen außerstande, sie in ihrer totalen Andersartigkeit zu erkennen so blieb als Brücke, die über diese Fremdheit geschlagen werden konnte, allein die Technik. Man forschte also nach Anlagen, die gewaltig gewesen sein mußten, da sie dazu gedient hatten, das Wasser der Ozeane in den Kosmos zu schleudern. Die Lokalisierung dieser Apparatur ließ sich nach universell gültigen, von der Physik entschiedenen Kriterien berechnen. Aus der Richtung der Rotation des Eisrings, aus seiner rings um den Äquator laufenden Bahn ließ sich auf die Anordnung der planetaren Wasserwerfer schließen.
       Hier jedoch fuhr den Forschern ein Faktor in die Parade, der die Diagnostizierung jener Installationen erschwerte: Man hatte diese unzweifelhaft an der Berührungslinie von Festland und Ozean errichtet — in einer Gegend, über der jetzt der in Frost gebannte Ring kreiste und hinter den durch die ständige Reibung an der Gashülle verursachten Sturzbächen einer wilden Regenzeit genau die kritischen Stellen verbarg. Der Versuch, die Methoden nachzuvollziehen, mit deren Hilfe die Ingenieure der Quinta ein Jahrhundert zuvor ihren Ozean in den Raum geschossen hatten, war geplatzt. Die Archive des Raumschiffs quollen zwar über von sogenannten Indizfotos, die sich aber von kaum größerem Wert erwiesen als die Flecken auf den Tafeln des Rorschach-Tests.
       Das Menschenauge konnte den unbegreiflichen Konturen der sich auf den Kontinenten wiederholenden Sternformen viele von der Erde mitgebrachte Vorstellungen und Vorurteile aufprägen! Welche Vielfalt an Formen und Gestalten kann der Mensch sehen oder sich vielmehr einbilden, wenn nur einen einigermaßen üppigen Tintenklecks betrachtet! Die Hilflosigkeit, die GOD vor diesen Tausenden Fotos erkennen ließ, machte den Menschen bewußt, daß in dieser auf scheinbar absolut objektive Informationsverarbeitung ausgerichteten Maschine dennoch ein Erbteil des Anthropozentrismus geronnen war.
       Nakamura drückte das so aus: Man wollte etwas erfahren Über eine fremde Vernunft, und man erfuhr, welch enge Geistesverwandtschaft zwischen den Menschen und ihren Computern bestand. Die Nähe war es, die die fremde, fast in Reichweite befindliche Zivilisation so fern, die Versuche, zu ihrem Kern zu dringen, zum

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