Fiasko
Annihilationscontainern, in dem Menschen unzugänglichen Maschinenraum und in Kammern besonderer Bestimmung. Zwischen Außen- und Innenpanzer des Hecks waren Baugruppen verborgen, die das Raumschiff landefähig machten: es setzte auf Ständer auf, die an die Beine von Gliederfüßern erinnerten. Vor der Landung mußte die Tragkraft des Bodens getestet werden, denn jede dieser gewaltigen Tatzen der Rakete hatte dreißigtausend Tonnen zu tragen. Mittschiffs auf der Steuerbordseite lagerten die Erkundungssonden und ihre Hilfsapparatur, auf der Backbordseite die Automaten für den Innenservice sowie Späh- und Suchgeräte für selbständige Fernaufklärung durch Flug oder Marsch — auch Großschreiter fehlten dabei nicht. Als GOD die Reanimationssysteme einschaltete, herrschte auf dem HERMES eine für diese Operation vorteilhafte Schwerelosigkeit, Bei Gerbert, der als erster behandelt wurde, waren Pulsschlag und Körpertemperatur bald wieder normal, aber er wachte nicht auf. GOD untersuchte ihn sorgfältig und zögerte mit einer Entscheidung. Er war verurteilt, selbständig zu handeln. Genau gesagt, er zögerte nicht, sondern verglich die Distribution der Erfolgs Wahrscheinlichkeit unterschiedlicher Eingriffe. Das Resultat der Anamnese war binomisch: Er konnte entweder Steergard, den Kommandanten, reanimieren oder aber den Arzt aus dem Embryonator nehmen und in den Operationssaal bringen. GOD handelte wie ein Mensch, der angesichts solcher Unbekannten eine Münze wirft. Wenn man nicht weiß, was besser ist, gibt es keine bessere Technik, als das Schicksal walten zu lassen. Der Randomisator wies auf den Kommandanten, und GOD hörte auf ihn. Zwei Stunden später zerriß Steergard die um seinen nackten Körper gespannte durchsichtige Folie und setzte sich, noch völlig benommen, in dem offenen Embryonator auf. Er blickte sich um, suchte denjenigen, der bereits über ihm stehen sollte. Der Lautsprecher sagte etwas zu ihm. Er wußte, daß dies eine Maschinenstimme war, daß mit Gerbert etwas passiert sein mußte, aber er verstand nicht recht die immer im Kreis wiederholten Satze. Er wollte aufstehen und rannte mit dem Kopf gegen den nicht völlig zurückgeklappten Deckel des Embryonators. Für einen Moment wurde ihm schwarz vor Augen, und die erste menschliche Äußerung im Zeta-System war ein saftiger Fluch. Klebrige weiße Flüssigkeit rann Steergard aus den Haaren über die Stirn, ins Gesicht und auf die Brust. Heftig richtete er sich auf- und schoß, die Beine angezogen, sich überkugelnd, den Tunnel zwischen sämtlichen Containern entlang bis zur Klappe m der Wand. Er lehnte sich mit dem Rücken an das weiche Polster in der Ecke zwischen Türsturz und Decke, wischte die an den Fingern klebenbleibende milchige Flüssigkeit von den Lidern und besah sich das zylindrische Innere des Embryonators. In einer Lücke zwischen den nun aufgeklappten Sarkophagen stand auch schon die Tür zum Baderaum offen. Steergard hörte sich in die Stimme der Maschine ein. Gerbert war wie alle anderen am Leben, aber nach Abschalten des Umbilikators nicht aufgewacht. Es konnte nichts Ernstes sein — sämtliche Enzephalographen und Elektrokardiographen zeigten die vorgesehene Norm. „Wo sind wir?“ fragte er.
„Hinter der Juno. Der Flug verlief ohne Störungen. Soll ich Gerbert in den Operationssaal bringen?“ Steergard dachte nach.
„Nein, ich kümmere mich selber um ihn. In welchem Zustand ist das Raumschiff?“
„Völlig funktionstüchtig.“
„Hast du Funksprüche von der EURYDIKE erhalten?“
„Jawohl.“
„Wichtigkeitsstufe?“
„Eins. Wortlaut vortragen?“
„Worum geht es?“
„Um eine Änderung des Verfahrens. Wortlaut angeben?“
„Wie lang sind diese Funksprüche?“
„3660 Glieder. Wortlaut vortragen?“
„Faß ihn zusammen!“
„Unbekannte kann man nicht zusammenfassen.“
„Wieviel Unbekannte?“
„Auch das ist eine Unbekannte!“
Während dieses Dialogs hatte sich Steergard von der Decke abgestoßen, um zu dem grünroten Licht über Gerberts Kryotainer zu gelangen. Als er am Durchgang zum Baderaum vorüberflog, sah er sich im Spiegel: ein muskulöser Körper, von Onax glänzend, der noch aus dem Rest der abgebundenen Nabelschnur tröpfelte — wie ein riesiges Neugeborenes, das von Fruchtwasser trieft. „Was ist passiert?“ fragte er, stemmte die bloßen Füße unter den Container und legte dem Arzt
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