Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fiasko

Fiasko

Titel: Fiasko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
wiederholte sich auf genau die gleiche Weise. Endlich gaben die mit ihren Elektronen zappelnden Atome der Cäsiumuhren das ersehnte Zeichen. GOD brauchte dazu nicht auf Anzeigegeräte zu gucken, ihre Angaben waren ja seine Sinne, und er las sie mit dem Gehirn ab, das Witzbolde auf der EURYDIKE wegen seiner drei Zentimeter Durchmesser ein Hühnerhirn genannt hatten. GOD achtete auf die Anzeigen der Lumenüberwachung, um bei der Reduzierung des Schubs den Kurs zu halten. Die Triebwerke, gedrosselt und umgeschwenkt, begannen das Raumschiff abzubremsen. Auch dieses Manöver klappte vorzüglich: die Leitsterne auf den Fokatoren blieben ohne das kleinste Zucken an ihrem Platz, jede Korrektur der programmierten Flugbahn war also unnötig.
       Die lichtnahe Geschwindigkeit sollte — ein Mikroparsek vor der Juno, dem äußersten Planeten — auf etwa achtzig Kilometer pro Sekunde, die Grenzgeschwindigkeit im Zeta-System, reduziert werden. Im Grunde war dazu nichts weiter nötig als die Umkehrung des Haupttriebwerks, bis es mangels Wasserstofftreibstoff von selbst erlosch, und der Umstieg auf die Bremsung mit Hypergol. GOD hatte jedoch noch rechtzeitig die Warnung der EURYDIKE empfangen und programmierte, bevor er die Reanimation in Gang setzte, die Bremsung um.
       Sowohl das Feuer in den Wasserstoff-Helium-Düsen als auch die Flammen der selbstzündenden Treibstoffe wären in ihrer technischen und damit künstlichen Charakteristik leicht erkennbar gewesen. GOD aber hatte sich inzwischen ein „stark eingeschränktes Vertrauen zu den Brüdern im Geiste“ zur obersten Regel gemacht. Er kramte nicht in der Bibelkunde und analysierte nicht die Vorfälle zwischen Kain und Abel, sondern löschte die Staustrahl-Durchström-Triebwerke im Schatten der Juno, deren Gravitation er zur Drosselung der Geschwindigkeit und zur Änderung des Kurses nutzte. Der zweite, ein gasförmiger Planet der Zeta, diente ihm dann dazu, auf die parabolische Geschwindigkeit herunterzugehen. Erst dann setzte er die Reanimatoren in Betrieb. Gleichzeitig entsandte er ferngesteuerte Automaten, um die Bug- und Heckdüsen mit einer Tarnapparatur in Gestalt elektromagnetischer Mischer zu versehen. Von da an verschwammen die Triebwerksflammen: Ihre Strahlung wurde spektral zerstreut.
     
       Die Bremsetappe, die das größte Feingefühl erforderte, lag in den Außenräumen des Systems jenseits der Juno. GOD plante und absolvierte sie so perfekt, wie es sich für den Computer einer unüberbietbaren Generation gehörte: Er durchquerte mit dem HERMES einfach die obersten Schichten der Atmosphäre des gasförmigen Riesen. Vor dem Raumschiff entstand ein Kissen glühenden Plasmas, in dem es an Geschwindigkeit verlor. GOD holte dabei aus der Klimatisierung des HERMES alles heraus, was nur möglich war, damit die Temperatur im Embryonator nicht um mehr als zwei Grad stieg.
       Das Plasmakissen vernichtete augenblicklich den Schutzschild, der ohnehin abgeworfen und innerhalb der Planetenbahnen durch einen anderen als Schirm gegen Staub und Kometenreste ersetzt werden sollte. Der HERMES war in diesem Feuerbad wie geblendet, kühlte aber noch im Schattenkegel der Juno ab, und GOD bewirkte, daß die durch den Bremsvorgang ausgelösten Glutwolken, die beinahe Protuberanzen glichen, den Newtonschen Gesetzen gehorchten und auf den schweren Planeten niedersanken. Nicht nur die Anwesenheit, sondern auch die Spuren des HERMES waren damit verwischt. Das Raumschiff trieb mit gedrosselten Triebwerken im fernen Aphel, als im Embryonator sämtliche Lichter angingen und die Kopfstücke der Medcoms betriebsbereit über den Containern hingen. Laut Programm sollte als erster Gerbert aufwachen, damit er als Arzt eingreifen konnte, falls es notwendig wurde. Hier jedoch kam es zu einer Störung der Reihenfolge. Der biologische Faktor war trotz allem das schwächste Glied der so komplizierten Abläufe und Verrichtungen geblieben. Der Embryonator befand sich im Mitteldeck und war im Verhältnis zum ganzen Raumschiff eine winzige Nußschale, umgeben von vielschichtigen Panzerhüllen und einer Strahlenschutzisolation. Zwei Ausgangsklappen führten zu den Wohnräumen. Das Zentrum des HERMES, „Städtchen“ genannt, war durch Verbindungsschächte mit dem zweigeschossigen Steuerraum gekoppelt. Zwischen den Bugschotten lagen Decks mit einer Reihe von Laboratorien, die sowohl bei Schwerelosigkeit als auch unter Schwerkraft arbeiten konnten. Die Energievorräte steckten am Heck — in

Weitere Kostenlose Bücher