Fiasko
wurde. Jeden Tag fügte GOD der Sammlung von Informationen eine neue Portion hinzu, und Nakamura, Polassar, Rotmont und Steergard zerbrachen sich die Köpfe über dieses Rätsel, das sich aus Rätseln zusammensetzte. Die Piloten mischten sich nicht in die wissenschaftlichen Erwägungen ein, sie hatten sich bereits eine Meinung gebildet, die sich kurz und bündig zusammenfassen ließ: Die Quinta war ein Planet von Ingenieuren, die von irgendeiner Manie besessen waren. Oder derber ausgedrückt: SETI hatte Milliarden investiert und sich abgestrampelt, um eine Zivilisation zu finden, die übergeschnappt war. Allerdings witterten auch sie in diesem Wahnsinn Methode. Das Bild eines bis zur Absurdität getriebenen „Radiokriegs“ bot sich an: Niemand konnte etwas senden, weil alle Seiten einander zudeckten. Die Physiker suchten GOD mit Hypothesen auf die Sprünge zu helfen, die sich den Antipoden der Menschheit zukehrten: Unterschieden sich die Bewohner der Quinta in Anatomie und Physiologie von den Menschen vielleicht so grundsätzlich, daß Bild und Sprache bei ihnen ersetzt waren durch andere, nichtakustische, außervisuelle Sinne oder Codes? Vielleicht durch den Tastsinn?
Den Geruch? Eine mit der Schwerkraft zusammenhängende Wahrnehmung? War das Rauschen die Übertragung von Energie, nicht von Informationen? Lief die Information durch Wellenleiter, in astro-physisch nicht aufklärbaren Strömen?
Sollte man aufhören, dieses scheinbar sinnlose elektromagnetische Geheul auf alle mögliche Weise zu filtern, und lieber das ganze analytische Programm einer grundlegenden Revision unterziehen? GOD antwortete mit der ihm eigenen seelenlosen Geduld. Er wußte eine Menge über menschliche Emotionen, besaß selbst aber gar keine.
„Falls es sich um Energietransport handelt, muß es Abnehmersysteme und ein gewisses Schwundminimum geben Verluste also, denn eine hundertprozentige Ausbeute gibt es nicht. Auf dem Planeten sind jedoch keinerlei Verbraucheranlagen zu sehen, die in einem Verhältnis zur gesendeten Leistung stünden. Der Teil von ihr, der imstande ist, die Atmosphäre zu durchdringen, hat die vielen Orbiter zum Ziel. Andere Sender und andere Orbiter jedoch verdecken diese gezielte Strahlung, und dies auf perfekte Weise. Es ist ein Vorgang, als wollten Menschen in einer riesigen Menge miteinander reden, alle auf einmal und immer lauter schreiend. Als Resultante ergibt sich selbst dann, wenn jeder der Sprecher ein Weiser ist, ein wildes Gebrüll. Zweitens können Wellenbänder, die der Nachrichtenübertragung dienen, bei vollständiger Füllung der Übertragungskanäle wie weißes Rauschen wirken, aber das Rauschen auf der Quinta offenbart einen interessanten Charakter. Es ist nicht das „absolute Chaos“, sondern eher die Resultante gegenläufiger Emissionen. Jeder Sender hält höchst präzise seine Wellen-lange. Andere Sender verdecken oder dämpfen ihn durch die Phasenumkehrung der Sendeamplitude.“ GOD veranschaulichte diesen elektromagnetischen Sachverhalt, indem er das Funkspektrum in die optische Zone verschob. An die Stelle des ruhigen Weiß der Planetenscheibe trat ein vielfarbiges Flimmern. Als GOD die kohärenten Emittoren auf Grün, die Relais auf Weiß und die „Kontraemittoren“ auf Purpurrot stellte, überzog sich die Scheibe der Quinta mit einem Gerangel von Farben. Das verlaufende Purpurrot erfaßte die Retranslatoren und färbte deren Weiß rosa, zugleich aber strömte auch Grün hinein, ein verschwimmendes Spinnengewebe von Farben entstand, zuweilen eine die Oberhand gewann, sogleich aber weder verwischt wurde. Mittlerweile kamen Informationen von den Sonden, die zur Fernaufklärung des Quinta-Mondes entsandt worden waren. Zwei der fünf Geräte waren verlorengegangen, man wußte nicht, auf welche Weise, denn der Verlust hatte sich im Periselenium ereignet, das vom HERMES aus nicht einsehbar war. Steergard sprach Harrach einen Verweis aus, weil der Patrouille unvorsichtigerweise keine Nachhut beigegeben war, die eine ständige Überwachung auch im Raum jenseits des Mondes ermöglicht hätte. Die übrigen drei Sonden hatten den Trabanten umflogen und ihre Aufnahmen, da sie mit ihren Signalen nicht durch das Rauschen drangen, per Lasercode übermittelt. Die Information war zunächst so gedrängt, daß tausend Bits in einem Impuls pro Nanosekunde enthalten waren. Nach einer knappen Minute dieser Emission meldete GOD, im Aposelenium kämen auf die Patrouille drei quintanische
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