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Fiasko

Fiasko

Titel: Fiasko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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der Gravitation zu trichtern, wäre es ein Kinderspiel gewesen, die radioaktiven Abfälle in den Raum zu schießen. Das Eis des Ringes wies jedoch nicht die Spur von Radioaktivität auf Die Quintaner hatten entweder eine andere Form der nuklearen oder überhaupt eine total andersgeartete Energetik. Aber was für eine?
       Der Planet zog einen Gasschweif hinter sich her. Er war ausgiebig mit Wasserdampf gesättigt, der hauptsächlich dem Ring entstammte.
       Der HERMES machte auf einer stationären Umlaufbahn hinter der Sexta fest. Sie ähnelte dem Mars, war aber größer und besaß eine dichte Atmosphäre, die durch unaufhörliche vulkanische Ausdünstungen und gasförmige Zyanverbindungen vergiftet wurde. Zur Observation der Quinta waren sechs Orbiter entsandt worden, die pausenlos Beobachtungsdaten übermittelten. GOD setzte daraus ein detailliertes Bild der Quinta zusammen. Das Merkwürdigste war das Funkrauschen.
       Auf den großen Kontinenten arbeiteten wenigstens ein paar hundert starke Sender, aber es gab keinerlei Anzeichen einer Phasen- oder Frequenzmodulation. Sie strahlten nur ein chaotisches weißes Rauschen aus. Die Antennen ließen sich genau lokalisieren, sie sendeten gerichtet oder isotrop, als hätten die Quintaner beschlossen, sämtliche Kanäle des elektromagnetischen Nachrichtenverkehrs von den Ultrakurz- bis zu den Kilometerwellen zu verstopfen.
       Sie konnten nur leitungsgebundenen Fernmeldeverkehr haben — aber wozu diente ihnen dieses Rauschen, das Gigawatt kostete? Als noch wunderlicher — die „Wunderlichkeiten“ des Planeten wuchsen mit den Fortschritten, die seine Beobachtung machte — erwiesen sich die künstlichen Satelliten. Man zählte nahezu eine Million, auf Umlaufbahnen, die hoch und niedrig waren, fast kreisförmig oder elliptisch und im Aphel weit über den Mond hinausreichend. Die Sonden des HERMES verzeichneten auch Satelliten in ihrer eigenen Nähe, einige kaum acht bis zehn Millionen Kilometer entfernt.
       Diese Satelliten unterschieden sich beträchtlich durch Ausmaße und Masse. Die größten waren wahrscheinlich leer eine Art unlenkbarer, im Vakuum aufgeblasener Ballons. Ein Teil von ihnen war durch das Entweichen der Gase in sich zusammengefallen. Alle paar Tage bot sich das effektvolle Schauspiel der Kollision eines der toten Satelliten mit dem Eisring, ein Schillern in allen Farben des Regenbogens, wenn die Sonnenstrahlen in den aufstiebenden Eiskristallen dispersierten. Die so entstandene Wolke zerging langsam im Raum.
       Niemals stießen gegen den Ring der Quinta jedoch die Satelliten, die Aktivität zeigten, sei es allein dadurch, daß sie sich auf erzwungenen Bahnen bewegten, die ständige Kurskorrekturen verlangten, sei es dadurch, daß sie wie riesige Ballen von Metallfolie auf unbegreifliche Weise ständig ihre Form änderten.
       Auf der holographischen, dreidimensionalen Karte sahen die Satelliten auf den ersten Blick wie ein riesiger, um den Planeten kreisender Schwärm von Bienen, Hornissen und winzigen Fliegen aus. Dennoch war das vielschichtige Gewimmel nicht chaotisch verstreut, sondern ließ einfache Regelmäßigkeiten erkennen: Die Satelliten auf den nahen Umlaufbahnen zogen oftmals zu zweien oder zu dreien dahin, während andere — zumal auf stationärer Bahn, wenn jeder Körper mit der Planetenoberfläche gleichläuft — sich wie in Figuren eines Tanzes zur Sonne hin-und von ihr wegbewegten.
       Im Zuge des Eingangs der Ortungsdaten schuf GOD ein Koordinatensystem, eine Art sphärischen Systems von Diagrammen. Die Unterscheidung „toter“ und „lebender“, passiv dahindriftender also und gelenkter oder selbststeuernder Satelliten war eine harte Nuß — das Problem vieler mikroskopisch kleiner Massen, die sich im Schwerefeld der Quinta, ihres Mondes und ihrer Sonne bewegten. Schärfere Beobachtung machte schließlich ungezählte Überreste von Raketen und Satelliten aus, die häufig auf die Sonne stürzten. Einige von ihnen besaßen Ringkörper, aus denen feine Dor-nen ragten. Die größten, auf halber Strecke zwischen dem Planeten und seinem Mond, zeigten eine gewisse Aktivität. Die Dornen waren Dipolantennen, ihre Emission ließ sich aus dem Geräuschhintergrund des Planeten filtern und isolieren — als Rauschen in kürzesten Wellen, außerhalb des Funkwellenbereichs. Ein Teil davon entfiel auf harte Röntgenstrahlung, die nicht zur Oberfläche der Quinta dringen konnte, da sie von der Atmosphäre geschluckt

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