Fida (German Edition)
beugte sich ein wenig näher zu ihm heran und starrte ihm direkt in die Augen, während er seine nächste Frage stellte: „Es war wegen der Katze, habe ich recht?“ Ein Blinzeln.
Zufrieden lehnte er sich nun zurück. „Schön, dass wir endlich ehrlich miteinander reden können. Damals, an diesem Tag im Keller, hättest du mich nicht verstanden. Vermutlich fehlt dir auch heute noch das Verständnis für mich. Aber was willst du machen? Du kannst die Katze nicht wieder freilassen, oder mir mit einer Zigarettenkippe bewusst machen, wie unmöglich mein Verhalten ist, nicht wahr? Oder mir einen deiner endlosen Vorträge über Richtig und Falsch halten. Soll ich dir was sagen, Vater? Nichts ist unmöglich!“
Wolfgang schloss die Augen. Er wollte nicht hören, was nun kam. Doch seine Ohren konnte er nicht verschließen.
„Ich habe nun ein neues Haustier, Vater. Eins, das ich mir schon lange gewünscht habe. Sie heißt Fida, ist noch ganz jung und hat noch ein wenig Erziehung nötig. Fida würde dir gefallen, Vater. Sie ist entzückend. Ich bringe ihr gerade bei, auf ihren Namen zu hören und auf vier Beinen zu gehen. Nächstes Mal bringe ich dir vielleicht ein Foto von ihr mit!“
Blankes Entsetzen durchzuckte den denkenden und fühlenden Geist, der in seinem gefühllosen Körper steckte. Der zeigte nun doch eine Reaktion. Eine Gänsehaut, hervorgerufen durch nacktes Grauen, überzog seine gesamte Hautoberfläche. Mein Gott, was hatte der Junge getan?
Wolfgang riss die Augen wieder auf, versuchte seine Lippen zu bewegen, sich zu artikulieren, doch mehr als einen unverständlichen, krächzenden Laut brachte er nicht hervor. Thomas erwiderte ihn, mit einem kalten, bellenden Lachen.
Wolfgangs Hand begann langsam zu wandern. Mit seinen zwei noch bewegungsfähigen Fingern hangelte er sich über seinen Bauch, zu seiner Seite. Er versuchte an den Alarmknopf zu gelangen, den ihm die Pflegerinnen immer leicht erreichbar ins Bett legten. Den Alarmknopf, den Thomas nun in die Höhe hielt.
„Suchst du das da?“, fragte er spöttisch. „Sei doch nicht albern, Paps. Du könntest es doch sowieso niemandem erzählen! Außerdem bin ich doch jetzt hier. Ich kann dir doch auch helfen.“ Dann legte Thomas den Alarmknopf ein Stück außerhalb von Wolfgangs Reichweite auf die Bettdecke und warf er einen Blick auf eine imaginäre Armbanduhr. Zur Bekräftigung dieser Geste tippte er sich auf das nackte Handgelenk. „Ups, schon so spät? Ich sollte wirklich langsam gehen. Schließlich habe ich Fida versprochen, bald wieder nach Hause zu kommen. Soll ich dir vorher noch dein Kopfkissen aufschütteln?“
Verzweifelt blinzelte Wolfgang zweimal mit den Augen. Nein, er wollte nicht, dass Thomas ihm noch näher kam, nicht von ihm berührt werden.
Der grinste: „Ja? Warte, ich mache es dir ein wenig bequemer!“ Thomas zog das Kissen unter Wolfgangs Kopf hervor, nahm es in beide Hände und schüttelte es langsam vor seinem Gesicht. Wolfgang schloss langsam seine Augen.
Nun ist es soweit, dachte er, hin und her gerissen zwischen abgrundtiefer Angst und sehnsüchtiger Erwartung. So kommt der Tod mich also holen!
Dann spürte er, wie der Junge ihn mit seinen durchtrainierten Armen mühelos anhob, als wäre er leicht wie eine Feder. Statt es fest auf sein Gesicht zu drücken, schob er das Kissen unter ihn, bevor er Wolfgang sanft und vorsichtig wieder darauf bettete.
„Bis zum nächsten Mal, Vater. Keine Angst, ich komme dich bald wieder besuchen!“
Tränen quollen unter Wolfgangs geschlossenen Lidern hervor, die er erst wieder aufschlug, als er die Tür seines Zimmers ins Schloss fallen hörte.
Kapitel 14
17. April 2013
Frustriert drückt Tatjana das Gespräch weg und wirft das schnurlose Telefon auf den Sessel, der dem Sofa gegenübersteht, auf dem sie sitzt. So albern es war, sie rief tatsächlich die Zeitansage an, nur um zu testen, ob der blöde Apparat funktioniert. Nun kommt sie sich dumm vor. Natürlich ist mit dem Telefon alles in Ordnung. Es ist schon kurz nach zehn und Jochen hat sich noch immer nicht gemeldet. Langsam glaubt sie nicht mehr daran, dass er heute noch anruft.
Sie fühlt sich seltsam, in ihrem großen, leeren Haus. Es ist kein schönes Gefühl, gleicht eher jenem, das sie als Kind hatte, wenn man sie in den Keller schickte um Getränke zu holen. Dort unten war es kühl und ihre Eltern lagerten dort ihre Kisten mit Mineralwasser, Cola, Bier und was sie sonst noch an Getränken im Haus hatten. Stets
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