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Fida (German Edition)

Fida (German Edition)

Titel: Fida (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Maucher
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konnte er schon lange nicht mehr. Oft war er schon Stunden vor der Zeit wach, an der langsam so etwas wie Leben in das Altenheim kam.
    „Du hättest es sehen sollen, Vater. Es war so geil! Die kleine Schlampe hat mich angefleht, es ihr so richtig ordentlich zu besorgen. Willst du wissen, wie ich sie dazu gebracht habe?“
    Innerlich schüttelte Wolfgang heftig mit dem Kopf, der äußerlich völlig ruhig liegen blieb. Er blinzelte heftig mit den Lidern. Zweimal für nein. Wie immer, wenn ihm die Antwort nicht passte, ignorierte Thomas sie einfach. Dann erzählte er ihm von der Mutter, die Woche für Woche an dem Haus vorbeilief, in dem dieser Teufel in Menschengestalt das arme Kind gefangen hielt und grausam misshandelte. Wolfgang versuchte, sich nicht bildhaft vorzustellen, wie das arme Ding gefesselt in jenem Zimmer stand, das mehrere Jahrzehnte sein eigenes eheliches Schlafzimmer war. Der Raum, in dem sie diese Ausgeburt der Hölle gezeugt hatten. Sein Versuch sich das Leid des Mädchens nicht vorzustellen, scheiterte ebenso kläglich, wie seine Versuche, die Außenwelt vor seinem aus der Art geschlagenen Sohn zu warnen. Im Gegensatz zu Thomas war Wolfgang ein empathischer Mensch. Nicht nur fähig, sondern nahezu außerstande, nicht mit anderen mitzufühlen. Dieser an und für sich sympathische Wesenszug machte es ihm nun unendlich schwer, mit seinem Wissen zu leben. Darüber hinaus hatte er damals, als er vielleicht noch Einfluss nehmen konnte, dafür gesorgt, dass er seinem Sohn vielleicht zu viel nachsah, ihn nie so hart anpackte und in seine Schranken verwies, wie es vielleicht Not getan hätte. Oder war aus dem Jungen solch ein Monstrum geworden, wegen des einen Males, an dem er die Beherrschung verloren hatte?
    Wolfgang dachte nicht gerne an diesen Tag zurück. Bis heute bedauerte er, wie er die Kontrolle über sich verlor, schämte sich dafür und empfand zeitweise tiefen Abscheu vor sich selbst. Doch was der Junge getan hatte, war ihm damals richtig an die Nieren gegangen. Mit einem angespitzten Stock hatte er auf die Nachbarskatze ein gestochert, die er in einem zugebundenen Sack gefangen hielt. Das Tier litt Todesqualen, blutete stark. Er erinnerte sich, wie er Thomas in den Keller gesperrt hatte, bevor er zurück in den Schuppen ging, um sich um die Katze zu kümmern. Das Tier war so schwer verletzt, dass es ihm grausam vorkam, sein Leiden nicht zu beenden. Doch zum Tierarzt fahren, das war nicht in Frage gekommen. Wie sollte er ihm erklären, woher diese Verletzungen kamen? Also hatte Wolfgang getan, was getan werden musste. Er hatte es nicht über sich gebracht, der Katze das Genick umzudrehen oder sie totzuschlagen. Also füllte er einen Bottich und drückte den Sack so lange unter Wasser, bis er sich sicher war, dass die Katze erlöst war. Was er getan hatte war ein Akt der Gnade, dennoch war ihm danach so schlecht, dass er sich übergeben musste. Anschließend verscharrte er die Katze im Garten, neben der Stelle, an der sie auch schon den Hamster des Jungen begraben hatten. Dann betrank er sich. Was er danach tat bereut er noch heute. Wolfgang war hinunter in den Keller gegangen und wurde so wütend, als er den Jungen sah, dass er ihn bald ebenso grausam misshandelte, wie der zuvor die Katze und nun dieses arme Mädchen. Am nächsten Tag, als er wieder nüchtern war und sah, wie er den Jungen zugerichtet hatte, schämte Wolfgang sich in Grund und Boden. Er entschuldigte sich bei Thomas, auch wenn es für das, was er getan hatte, keine Entschuldigung gab. Gemeinsam mit seinem Sohn bastelte er ein simples Holzkreuz, welches sie auf das Grab steckten, an dem sie von nun an täglich vorbeigehen mussten. Wolfgang hatte dabei stets ein schlechtes Gewissen und hoffte, auch dem Jungen würde es immer wieder zu denken geben. Mittlerweile jedoch glaubte er, dass es Thomas entweder egal war, oder – noch schlimmer – sogar angenehme Erinnerungen weckte. Offensichtlich hatte der Junge großen Spaß daran gehabt, dem armen Tier Leid zuzufügen.
    Nun wünschte sich Wolfgang, jemand möge kommen und auch ihm solche Gnade erweisen, wie er seinerseits der Katze. Doch stattdessen hielt ihm Thomas nun etwas unter die Nase. Energisch blinzelte Wolfgang seine Tränen weg, damit er besser erkennen konnte, was auf dem Polaroid-Foto zu sehen war. Obwohl Thomas ihm seine Verbrechen in grausamer Deutlichkeit geschildert hatte, stockte Wolfgang für eine Sekunde der Atem. Ein dünnes Ding in Reizwäsche, für die es viel

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