Fida (German Edition)
daran, bis das Ding ab war. Auf einem traurigen Haufen zu ihren Füßen blieben die Stücke liegen. Sie bückte sich danach, hob sie auf, zerknüllte die Wäsche und warf sie in die andere Ecke des Raumes, weit weg von sich. Dann sah sie sich im Halbdunkel um, nach den Sachen, die sie sonst trug. Ihre Anziehsachen waren nirgends zu finden. Er hatte ihr, außer dem Kram an dem er sich aufgeilte, überhaupt nichts mehr gelassen.
Lauras Emotionen überwältigten sie völlig. Nach dem heutigen Tag gab es keinen trotzigen Stolz mehr, an dem sie sich festhalten konnte. Keine Hoffnung auf Rettung, wenn sie ihre Mutter sogar sehen, aber doch nicht gerettet werden konnte. Nichts außer Schmerzen, Scham, Verzweiflung und Dunkelheit. Kein Leben, das sie führen wollte. Sie wollte nicht Fida sein, lieber wäre sie tot!
Dieser Gedanke wurde übermächtig. Das war das Einzige, was sie tun konnte, ihr einziger Ausweg.
Laura sah sich in dem schwach erleuchteten Raum um. Es gab nichts, womit sie ihren Gedanken in die Tat umsetzten konnte. Keine Tabletten, kein Messer, kein… Der Schminkspiegel! Laura nahm ihn und schmetterte ihn auf den Boden. Sie suchte sich die größte Scherbe aus und führte sie zaghaft über die dünne Haut an ihren Handgelenken. Dann stärker, mit mehr Druck, sodass die Scherbe ins Fleisch Drang, doch zu schwach, um sie ernsthaft zu verletzen. Die Angst vor dem Schmerz hielt sie zurück. Sie versuchte es nochmals, konnte sich aber nicht überwinden, tief genug zu schneiden.
„Scheiße!“, heulte sie vor sich hin und zog schniefend den Rotz in der Nase hoch. Dann spornte sie sich selbst an: „Mach‘ schon! Stell‘ dich nicht an wie ein verfluchtes Baby! Immerhin bist du jetzt eine Frau!“ Ein hysterisches Lachen schloss sich an.
Wieder drückte sie die scharfe Bruchkante in ihre Haut, versuchte allen Mut zusammenzusammeln. Nur zögerlich wagte sie einen weiteren Schnitt. Schließlich ließ sie die Hand zitternd sinken. Sie konnte es nicht tun.
Trotzdem war Laura noch nicht bereit, diesen letzten Fluchtweg zu vergessen. Sie hatte eine neue Idee. Hastig rückte sie den Stuhl direkt unter die Stelle, an der ihre Kette an der Decke befestigt war. Dann ging sie zurück zur Matratze, hob die Spiegelscherbe wieder auf und zerteilte damit das Gummilaken. Sie schnitt es in Streifen, die schmal genug waren, um sie durch die Glieder der Kette zu fädeln. Damit stieg sie auf den Stuhl, legte die Kette um ihren Hals und verflocht sie mit den Streifen aus Latex zu einer engen Schlinge, die schon jetzt stramm saß.
Mit wackligen Beinen stand sie auf dem Stuhl. Sie hoffte, es würde nicht wehtun. In einem Buch hatte sie mal gelesen, dass der Tod durch Erhängen schnell geht, weil den Gehenkten beim Fall das Genick bricht.
„Nur ein kleiner Knacks, dann ist es vorbei!“, machte sie sich noch einmal selbst Mut. Sie atmete noch einmal tief durch, bevor sie, zu allem entschlossen, den Stuhl unter sich weg kickte.
Als der Stuhl wegrutschte baumelte sie in der Schlinge, die sich schmerzhaft in ihren Hals eingrub, ihn aber nicht brach. Kalt und fest schürte sie ihr die Luft ab. Laura war dabei, langsam und qualvoll zu ersticken. Sie begann, panisch zu zappeln, mit einem Mal wissend, dass sie einen furchtbaren Fehler gemacht hatte. Sie hatte sich geirrt! Nein, sie wollte noch nicht sterben! Während ihr langsam die Luft ausging, wurde ihr Überlebenstrieb wieder wach, veranlasste sie, um ihr Leben zu kämpfen. Doch durch das Gezappel wurde es nur schlimmer. Die Kette grub sich noch mehr ein. Sie klammerte sich oberhalb der Schlinge an der Kette fest, bemüht, den Druck auf ihre Luftröhre zu vermindern. Unter Aufbietung ihrer letzten Kräfte, versuchte sie, sich mit einer Hand oben zu halten und mit der anderen die zuvor fest geknüpften Knoten wieder zu lösen.
Kapitel 20
18. April 2013
Zu Hause stürzt Tatjana sofort zum Telefon, wählt Likars Durchwahlnummer und lauscht dem Läuten, bis ihr eine Stimme vom Band rät, es zu einem späteren Zeitpunkt nochmals zu versuchen. Sie beendet die Verbindung, wählt dann erneut, diesmal einfach die Nummer der örtlichen Polizeistelle. Nach wenigen Sekunden ist sie mit der Zentrale verbunden. Sie fragt nach, ob man sie zu Likar weiterverbinden könnte, man versucht es, dann entschuldigt man sich, der Kollege wäre wohl noch mitten in einer Vernehmung. Sie bittet darum, ihm auszurichten, dass er sie dringend zurückrufen soll. So schnell wie möglich.
Sie ist sich
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