Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fida (German Edition)

Fida (German Edition)

Titel: Fida (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Maucher
Vom Netzwerk:
wieder einmal die Haare zu Berge.
    Thomas war mit seiner viel zu anschaulichen Schilderung noch nicht ganz fertig, als er unterbrochen wurde. Die mürrische Pflegerin war noch immer im Dienst. Zum ersten Mal an diesem Tag freute Wolfgang sich regelrecht über Beate Fröhlich, die in diesem Augenblick das Abendessen hereinbrachte.
    „Entschuldigen sie, wir sind heute etwas im Verzug. Ich müsste ihren Vater nun füttern“, sprach sie Thomas direkt an, Wolfgang selbst dabei völlig übergehend. Vielleicht hoffte sie darauf, Thomas würde von sich aus anbieten, diese Aufgabe zu übernehmen. Dieser musterte die Pflegerin mit einem wissenden, spöttischen Grinsen. Man merkte ihr die Unlust schon bei diesen wenigen Worten an. Wolfgang kochte innerlich vor Wut und Abscheu. Wut auf Thomas, Abscheu über das, was er getan hatte, unbändige Wut auch auf diese dumme Gans, die nur ihren baldigen Feierabend im Sinn hatte. Auf sich selbst, seine Hilflosigkeit, auf das Fehlen der Sprache.
    „Eine Sekunde, ich bin gleich weg!“, verkündete Thomas, beugte sich ganz nah an Wolfgangs Ohr und flüsterte etwas hinein. Innerhalb von Sekundenbruchteilen steigerten sich Wolfgangs Wut und Verzweiflung ins Unermessliche und sein Adrenalinspiegel stieg drastisch. Wolfgangs Augen weiteten sich vor Entsetzen, denn er erkannte sofort die Bedeutung von Thomas Worten. Sein verzweifelter Blick wanderte zu Beate, die wartend mit dem Tablett neben der Tür stand. Alles fügte sich zusammen, wie die Teile eines großen Puzzles, machte grausamen Sinn. Und dann begann Wolfgang zu schreien: „IDA! ICHT USI! IDA!“
    Das Adrenalin trieb seinen Körper zu absoluten Höchstleistungen, befähigte ihn zu mehr, als er sonst in der Lage war. Dennoch gelang es Wolfgang nicht, deutlicher zu artikulieren, was er unbedingt sagen wollte.
    „IDA! USI!“, war alles, was sein unnützer Mund eingerostet kreischend hervorbrachte.
    „Es tut mir leid. Manchmal regt er sich fürchterlich auf, wenn ich wieder gehe. Er beruhigt sich bestimmt gleich wieder!“, erklärte Thomas der etwas erstaunt und verwundert dreinschauenden Pflegekraft und verließ einfach das Zimmer.
    „IDA!“, kreischte Wolfgang weiter.
    Beate stellte hastig ihr Tablett ab und beugte sich über Wolfgang.
    „Na, was haben sie denn? Er kommt doch wieder! Nun beruhigen sie sich!“
    „IDA!“, schrie er ihr ins Gesicht.
    Dann veränderte sich schlagartig seine Wahrnehmung. Statt einem schien Beate auf einmal zwei Köpfe zu haben. Wolfgang wurde furchtbar übel. Er versuchte zu schlucken, doch er konnte es nicht. Schwallartig ergoss sich sein Mageninhalt, spritzte der doppelköpfigen Beate ins Gesicht und lief ihm vom Kinn über seine Brust. Ein stechender Schmerz in seinem Kopf folgte.
    Dann wurde es schwarz vor seinen Augen und wie aus weiter Ferne konnte er gerade noch hören: „Hilfe! Schnell! Herr Richter hat wieder einen Schlaganfall!“
    „ Ich sterbe!“, war sein letzter, verwunderter Gedanke voller Dankbarkeit und Erkenntnis, bevor alles vorbei war.

Kapitel 23
    18. April 2013
     
    Stunden später erwacht Tatjana, vollkommen gerädert, aus einem furchtbaren, wirren Traum. Es ist schon fast dunkel, gerade noch hell genug, um die Umrisse der Möbel und des zu weißer Asche verbrannten Holzes im Kamin zu erkennen. Im ersten Moment glaubt Tatjana bleiche Knochen zu sehen. Dunkelrot schimmert eine an Blut erinnernde Lache, schon tief in den Teppich eingezogen, und löst furchtbare Assoziationen aus. Auch in ihrem Traum gab es bleiche Knochen. Ihr Alptraum scheint nahtlos in die Realität überzugehen.
    Tatjana stößt einen erschrockenen Schrei aus. Es dauert eine Sekunde, bis sie die Bilder richtig interpretiert. Sie atmet auf. Es ist nur verbranntes Holz. Das Glas mit dem Rest ihres Weines musste sie im Schlaf umgestoßen haben. Nur Wein, kein Blut.
    Sie reibt ihre Augen, versucht sich zu erinnern, was genau sie geträumt hat. Dieses alte Haus, an dem sie das verdächtige Fahrrad stehen sah, kam darin vor. Die Straße, die daran entlangführt. Im Traum irrte sie endlos, suchend, durch einsames, verlassenes Gelände und kam immer wieder an dem Haus vorbei. Auf der Suche nach Laura, aber auch mit dem Gefühl von Bedrohung, als würde sie gehetzt. Am Ende hatte sie das Gefühl endlos zu fallen, in unendliche Dunkelheit und während ihres Falls sah sie die bleichen Knochen, auf die sie zu raste. Mit diesen traumhaften Gedanken und ihren realen Eindrücken beim Erwachen einhergehend, fügen

Weitere Kostenlose Bücher