FIDER (German Edition)
»Also, ich kann nicht klagen. Das ist zwar alles ganz schön verrückt, aber ich bin echt froh, dass alles irgendwie links und rechts an mir vorbei gegangen ist. Ich habe keinen einzigen Schuss abgefeuert.«
»Ich auch nicht«, sagt Sarac. »Ich hab' auch nix gesehn. Der Herr Rakovsky auch nicht.«
Alle nennen Rakovsky nur den »Pfarrer«, doch Sarac spricht ihn grundsätzlich als »Herr Rakovsky« an – und er meint es todernst. Für einen simpel gestrickten Charakter wie Sarac ist diese Anrede ein Zeichen des Respekts.
»Wir haben alle nicht sonderlich viel gesehen heute Nacht«, sagt Petursson. »Da war sicherlich eine Menge Bewegung, aber ich würde meine Hand nicht für irgendetwas ins Feuer legen. De swegen posaune ich auch nichts herum.«
»Ich bin auch froh, dass uns nix passiert ist«, sagt Sarac mit Verschwörerstimme. »Der Herr Feldmann hat nämlich erzählt, das wären ganz komische Kerle gewesen, die da heut' Nacht bei uns waren. Ganz komisch.«
»Ach nee, hör auf.« Begerow winkt ab. »Das ist doch totaler Schwachsinn. Das waren irgendwelche Kommandos, die über die Grenze gekommen sind. Irgendwelche Elitetruppen mit Spezialausrüstung oder so. Das war der Nordmann, garantiert.«
Petursson spuckt aus. »Der He rr Feldmann hat seine Stellung verlassen und hat eine Lücke in unserer Verteidigung aufgerissen. So sieht das aus. Ich wollte ihn heute früh dafür schon zur Sau machen, aber er ist anscheinend irgendwie eingeschnappt.«
»Der Herr Feldmann hat geholfen, den Inneren Bereich zu verteidigen. Der hat die da ganz genau gesehen.« Sarac hebt den rechten Zeigefinger und wirkt für einen Augenblick wie ein Dorflehrer. Der dämlichste Dorflehrer aller Zeiten. »Und da hat er auch ganz genau sehen können, dass die überhaupt keine richtigen Menschen nicht sind.«
»Alter, es war dunkel und wir waren alle bis Oberkante Unterkiefer voll mit Adrenalin.« Begerow zuckt mit den Schultern. »Mann, so spitz wie ich bin hätte ich vielleicht trabende Riesenfotzen gesehen. Unser Datso ist eben nicht spitz, sondern ein bisschen abergläubisch. Deswegen glaubt er, er habe irgendeinen Waldgeist gesehen. Das ist doch völlig normal.«
Sarac schüttelt seinen Kopf. »Nee, nee. Ich sag' dir, da geht was Komisches vor, da draußen. Und wenn wir nicht g anz schnell hier abhauen, dann hilft uns nix mehr. Dann hilft auch der liebe Gott nicht mehr, auch wenn der Herr Rakovsky was anderes sagt.«
In diesem Augenblick donnert Rakovskys Bass durch den Wald: »Sarac! Hierher! Ich habe noch ein bisschen Kordel aufg etrieben. Damit können wir eine Stolperfalle mit Stacheln bauen. Hilf mir mal – der liebe Gott hilft mir bestimmt nicht, so ein Mordgerät zu konstruieren.«
Szene 55: Munitionsausgabe
Originalmaterial. Peturssons Helmkamera. Farbfilm.
Als Petursson das Th orvaldeum erreicht, sitzt dort nur Betzendorff an einem Tisch und notiert etwas in eine Kladde. Petursson baut sich vor dem Tisch auf, sagt aber kein Wort. Betzendorff notiert in aller Ruhe weiter und schaut nur einmal kurz auf.
»Ah, der ehemalige Herr Unt erführer. Was darf es denn sein?«
»Zwei Magazine«, sagt Petursson kurz angebunden.
Betzendorff legt den Stift beiseite, klappt die Kladde zu und schaut nun endgültig auf.
»Zwei ganze Magazine? Vierzig Schuss? Na, da hat der böse Waldschrat aber bestimmt in s Gras gebissen. Oder etwa nicht?«
Petursson zögert einen Augenblick. »Zumindest habe ich irgendetwas getroffen. Soweit ich gehört habe, kann das nicht jeder von sich behaupten.«
»Donnerwetter, nicht schlecht, nicht schlecht. Ich hingegen habe den Feind nicht einmal zu Gesicht bekommen.« Betzendorff nickt anerkennend. Er greift in die Munitionskiste neben seinem Stuhl und holt zwei Magazine hervor. Petursson legt im Gegenzug zwei leere Magazine auf den Tisch.
»Und?«
»Was und?«, fragt Petursson. »Kriege ich jetzt meine Munition, oder müssen wir hier noch irgendwelches Kasperletheater veranstalten?«
Betzendorff lehnt sich ein Stück zurück und breitet die Arme zu einer Entschuldigung aus. »Aber hallo. Natürlich bekommt der Herr Schütze seine Munition. Ich wol lte nur wissen, wie das so ist, auf einen Menschen zu schießen. Das dürfte ja heute Nacht für alle eine Premiere gewesen sein, selbst für die knallharten Einzelkämpfer unter uns, nicht wahr? Ich muss zugeben, es würde mich interessieren, wie es sich anfühlt, auf einen Menschen zu schießen.«
»Du wirst es nicht glauben, aber es kann
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