FIDER (German Edition)
richtig Spaß machen. Kommt immer darauf an, wen man vor der Flinte hat.«
Nun grinst Betzendorff. »Nichts anderes hatte ich von jemand wie dem Schützen Petursson erwartet. Ist aber dennoch nicht gut gelaufen, nicht wahr?«
»Was?«
»Die Geschichte heute Nacht. Vierzig Schuss verblasen. Zwar irgendetwas getroffen, aber offenbar kein bestätigter Abschuss. Für einen Vollblutsoldaten wie einen Schützen Petursson muss das doch eine ziemliche Blamage sein.«
Tatsächlich scheint Betzendorff damit einen wunden Punkt getroffen zu haben, denn Petursson wirft sich für einen Augenblick in die Brust, als wolle er im nächsten Moment auf sein Gegenüber losgehen. Doch dann atmet Petursson hörbar aus und entspannt sich wieder.
»Nein, Betz. Mit solchen Sprüchen kriegst du mich nicht dran. Ich habe keine Ahnung, welches Spiel du hier spielst, aber du kriegst mich nicht dran. Heute Nacht war eine ganze Menge los. Eine Menge Licht, eine Menge Schießerei und v iel Aufregung. Niemand von uns hat große Erfahrungen in einem Feuergefecht, aber letzte Nacht waren wir in dieser Situation und mussten damit fertig werden. Das haben wir alle irgendwie hinbekommen. Dabei meinten viele von uns, sie hätten irgendjemanden oder irgendetwas gesehen. Ich bin mir auch sicher, etwas gesehen zu haben. Beschwören kann ich das aber nicht. Wichtig ist nur, dass ich heute noch hier stehe und mir dein blödes Geschwafel anhöre. Das bedeutet, die Angreifer haben mich nicht erwischt. Und das wiederum bedeutet, dass ich etwas richtig gemacht habe, was einige andere hier falsch gemacht haben.«
Betzendorff lehnt sich zurück. Das Grinsen weicht aus seinem Gesicht. Auch jeder spöttische oder überhebliche Zug verabschiedet sich aus seiner Mimik.
»Du wirst es nicht glauben, Petursson, aber ich will dich überhaupt nicht aus der Reserve locken. Ich will mich auch nicht mit dir streiten. Mir sind in letzter Zeit einfach nur einige Ungereimtheiten aufgefallen. Deswegen würde es mich interessieren, wie andere Profis darüber denken. Also hören wir auf mit diesem Katz-und-Maus-Spiel. Du hast heute Nacht auf jemanden geschossen und nichts getroffen, richtig?«
Petursson zögert lange. Dann nickt er langsam.
»Also schön. Ich habe tatsächlich zwei bewegliche Ziele unter Feuer genommen. Eines davon habe ich hundertprozentig erwischt. Dafür habe ich sogar Indizien gefunden. Aber das Ziel ist einfach verschwunden. Es hat sich umgedreht, als sei nichts gewesen. Dann ist es durch den äußeren Sicherungsring spaziert, als sei dieser überhaupt nicht da. Und dann war es weg. Mir will einfach nicht in den Kopf, wie so etwas passieren konnte.«
Betzendorff nickt. »Das kann ich gut nachvollziehen. Wir alle erwarten, dass der Feind umfällt, wenn er getroffen ist. Doch genau da s tut er nicht. Mit diesem Phänomen haben momentan auch andere zu kämpfen. Hast du von dem Schützen Lunchev gehört?«
Petursson nickt. »Gerade eben, auf dem Weg hierher. Der Kerl ist von seinem eigenen Kumpel beschossen worden. Das Gleiche ist diesem Bilius passiert.«
»Lunchev wurde aus weniger als zehn Metern Entfernung von seinem Kameraden Doritsch beschossen. Auf Bilius wurden gut 40 Schüsse abgefeuert, während er in einer S-Draht-Rolle festsaß. Getroffen hat allerdings niemand. Miserable Schützen, nicht wahr?«
»Was willst du damit sagen?«
Betzendorff hebt beide Hände. »Nichts. Gar nichts. Wir sind doch alle gut ausgebildet und haben viel Zeit auf der Schießbahn verbracht. Und auf einmal treffen wir nichts mehr? Ich finde das seltsam. Und es gibt noch ein paar Sachen, die für mich keinen Sinn ergeben. Alleine die Tatsache, auch weiterhin hierzubleiben, obwohl wir doch ganz offensichtlich aufgerieben werden. Diese Sache hier ist uns schon lange über den Kopf gewachsen. Wir müssen davon ausgehen, dass wir es mit einer Invasion der Nordmänner zu tun haben. Das ist nicht die Sache einer kleinen Aufklärungstruppe, sondern ein Fall für die Volksarmee. Es wäre überhaupt kein Problem, sich zurückzuziehen. Notfalls könnten wir es sogar riskieren, zu Fuß zu verschwinden. Stattdessen werden wir immer weiter hingehalten. Das Hauptquartier ist so gut wie überhaupt nicht erreichbar, wir sind völlig auf uns gestellt. Und wenn doch eine Nachricht durchkommt, dann sind es nur irgendwelche Durchhalteparolen. Es ist beinahe so, als ob uns jemand ganz bewusst in dieser Lage festnageln wollte.«
Petursson überlegt. Dann sagt er: »Nein, Betz. Jetzt gehst du
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