FIDER (German Edition)
hatte auch immer Ärger. Nicht mit den Mannschaften, aber die Römer konnten den Datso überhaupt nicht leiden.«
Bild im Bild: Stabsunterführer a. D. Wiegel.
»'Römer' war in der Volksarmee ein Schimpfwort. So wurden die Offiziere von den Mannschaften und den Unteroffizieren bezeichnet. Außerdem gab es noch den Ausdruck 'Ochsen'. So wurden grundsätzlich von allen Dienstgraden die Vorgesetzten genannt. Für den Stabsoffizier war also der General ein Ochse, während der Stabsoffizier für den Hauptmann ein Ochse war. Und für den Unteroffizier waren Hauptmann und Stabsoffizier nicht nur Ochsen, sondern zusätzlich auch noch Römer. Alles verstanden?«
»Das lag aber nicht daran, weil der Datso so ein guter Mustersoldat war, sondern weil er viel zu gut mit den Mannschaften konnte. Deswegen haben ihn die Römer abserviert. Und nun muss er mit dem Schleifer Petursson zu einer Spezialeinheit. Oje, oje.«
Petursson grinst. »Vielleicht schmeißen sie dich ja bei der nächsten Gelegenheit wieder raus. Dann kannst du wieder hierher und mit deinen Mannschaften kuscheln .«
»Wieder zurück in dieses Irrenhaus hier? Nein, mein Herr, da wird aus dem Datso eher noch ein Mustersoldat, bevor er freiwillig hierher zurückgeht.« Datso grinst verschmitzt zurück. »Ist ja auch nicht so, als wenn er nix könnte. Ich wette, in ein paar Sachen mach' ich selbst dir noch was vor, Jungchen.«
»Diese Herausforderung nehme ich an«, sagt Petursson. Dann reckt er seinen Hals und deutet am Gleis entlang. »Ich glaube, da kommt unser Zug.«
Datso folgt Peturssons Blick und seufzt, als er das Gefährt erblickt, das sich gerade das Gleis entlang kämpft. »Na großartig. Hatte gehofft, in einem ganz normalen Abteilwagen zu fahren. Stattdessen fährt hier nur ein Backstein. Was für eine Scheiße.«
Das Vehikel, das sich ins Bild schiebt, weist tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Ziegelstein auf – oder besser gesagt mit zwei Ziegelsteinen, die jemand hintereinander gehängt hat. Der Zug besteht aus zwei Triebwagen, deren Lack irgendwann einmal rot gewesen sein mochte. Die Sonneneinstrahlung und der Saure Regen haben den Farbton inzwischen jedoch zu einem beinahe schon kitschigen Rosa verblassen lassen. Lediglich auf dem Dach der beiden Fahrzeuge herrscht eine kräftige Farbe. Dabei handelt es sich jedoch nicht um das Rot der Lackierung, sondern um ein dunkles Grün. Beide Dächer haben im Laufe der Zeit Moos angesetzt. Einen krassen Kontrast dazu bildet das Schwarz der Dieselschwaden, die aus den Auspuffrohren quellen.
Der Lokomotivführer schafft es beinahe, den Backstein rechtzeitig zum Halten zu bringen. D ie Bremsen kreischen zwar auf und sprühen tapfer Funken, doch sie bringen das Vehikel erst gut fünfzig Meter hinter dem Bahnsteig zum Stehen. Die Menge der Fahrgäste wogt in Richtung des Backsteins, als dessen Motor kurz losbrüllt und das Fahrzeug ein Stück zurücksetzt. Noch bevor es vollständig zum Stehen kommt, werden bereits die Türen aufgerissen und ein Strom von Fahrgästen drängelt sich hinaus. Dann, als der letzte Fahrgast ausgestiegen ist, beginnt das Gedrängel der Wartenden. Im Inneren des Backsteins folgt dann der Kampf um die Sitzplätze.
Datso und Petursson versuchen erst gar nicht, sich irgendwo niederzulassen. Sie steigen ein und ziehen sich sofort bis zur gegenüberliegenden Tür zurück. Dort lassen sie die Meute einfach an sich vorbeiziehen. Dats o dreht unterdessen in aller Ruhe eine Zigarette, die er anzündet, als der Backstein wieder anfährt.
Schnitt auf die Kamera in der Aktentasche. Dem Kameramann ist es gelungen, sich direkt neben Petursson und Datso bei der Tür zu postieren.
Während der Fahrt finden die Männer keine Gelegenheit, miteinander zu sprechen. Der Backstein produziert einfach zu viel Lärm. Petursson lässt seinen Blick über die anderen Fahrgäste streifen, während Datso raucht.
Als der Zugführer gerade das Bremsmanöver für den Halt am nächsten Bahnhof einleitet, bleibt Peturssons Blick an einem Mann im hinteren Teil des Zugabteils hängen. Seiner Kleidung nach handelt es sich um einen Landbewohner – eigentlich ein alltäglicher Anblick in dieser Gegend. Doch dieser Landbewohner richtet eine Kamera auf Petursson. Er hat die Kamera zwar mit einem Tuch getarnt, doch Petursson erkennt offenbar das Objektiv.
Petursson geht hoch wie eine Bombe. »Verdammter Scheißkerl!«
Im nächsten Moment ist Petursson in Bewegung und versucht, sich
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