Fieber an Bord
Einfahrt.«
Ruhig befahl er Allday: »Lassen Sie wenden. Das hier ist für keinen leicht.«
Als das Boot die Pier wieder erreicht hatte, war die Besatzung der Tempes t bereits in die Wanten und auf die breiten Rahen ausgeschwärmt. Gut, dachte Bolitho. Es würde Herrick ausreichend in Anspruch nehmen und ihm keine Zeit lassen, um über jene nachzudenken, die er zurückließ.
Er sah Keen an Land warten. Sein Hemd stand bis zum Gürtel offen, die Arme hingen an seinen Seiten herab. Als Bolitho ihn erreicht hatte, sagte er mit belegter Stimme: »Sie ist tot, Sir.« Er blickte zur Sonne auf. »Sie starb gerade eben.«
Allday sagte: »Ich werde mich darum kümmern, Sir.«
»Nein!« Keen fuhr heftig zu ihm herum. »Das tue ich selbst.« In sanfterem Ton fügte er hinzu: »Aber ich danke Ihnen.«
Bolitho blickte Keen nach. Natürlich war es ein Traum gewesen und von Anfang an hoffnungslos. Er ließ den Blick über den Strand schweifen, über die nickenden Palmen und das tiefblaue Wasser. Die beiden hatten nie eine wirkliche Chance gehabt, der junge Marineoffizier und das eingeborene Mädchen von einer kaum bekannten Insel.
Er beschleunigte seine Schritte. Aber das war ihr Traum gewesen. Niemand hatte das Recht, ihn zu stören.
»Richard!«
Rasch drehte er sich auf dem Absatz um. Viola kam von dem provisorischen Lazarett her auf ihn zugelaufen.
Er fing sie auf und drückte sie an sich. »Aber Viola, warum hast du das Fort verlassen?«
Sie klammerte sich an ihn, lachte und weinte zugleich.
»Was soll ich dort? Verstehst du nicht, Richard, mein Liebling? Gleichgültig, was geschieht, zum erstenmal sind wir zusammen.«
Leutnant Francis Pyper sah ihnen nach, als sie zur Krankenbaracke gingen. Er hatte den Mut verloren, besonders nachdem er das rege Treiben an Bord der Tempest beobachtet hatte. Jetzt waren sie schon dabei, den Anker einzuholen, und innerhalb einer Stunde mochte das Schiff hinter der Landzunge verschwunden sein.
Aber nun fürchtete er sich nicht mehr.
Sergeant Quare kam über knirschenden Kies auf ihn zu.
»Sir, eine Meldung für den Kommandanten. Zwei Eingeborene im Dorf sind erkrankt.«
Pyper nickte mit trockenem Mund. »Ich werde es ihm sagen.«
Quare nahm seinen Hut ab und wischte über das Schweißleder. Die armen kleinen Kerle, dachte er. Es wird bei ihnen nicht lange dauern. Sie sterben weg wie die Fliegen. Er hatte es gesehen: in der Karibik, in Indien; überall auf dieser verdammten Welt.
Er bemerkte Blissett, der auf die Pier kam, und schnauzte: »Knöpfen Sie Ihren Waffenrock zu! Was glauben Sie, wo wir sind, Mann?«
Danach fühlte er sich etwas besser.
»Halt! Wer da?«
Bolitho trat in den weißen Fleck Mondlicht und zeigte sich.
»Pardon, Sir.« Sergeant Quare setzte seine Muskete ab. »Ich hatte Sie noch nicht zurückerwartet.«
»Alles ruhig?« Bolitho lehnte sich an einen Baum und lauschte auf das Rauschen der Brecher draußen. Zeitlos. Unerschütterlich.
»Ja, Sir.« Der Sergeant seufzte. »Im Dorf haben sie ein paar der armen Teufel verbrannt. Ich hörte die Trauernden klagen und singen.«
»Ja.«
Bolitho unterdrückte den Wunsch, sich auf den Boden zu setzen. Er war todmüde, fühlte sich krank und erschöpft. Acht Tage waren vergangen, seit die Tempes t Segel gesetzt hatte, und noch immer war von nirgendwo Nachricht gekommen. Mit Hilfe aus dem Dorf hatte er nicht gerechnet. Dort hatte es mehrere Todesfälle gegeben; von Hardacre hatte er erfahren, daß auf der anderen Seite der Insel in einem Kanu mehrere sterbende Eingeborene aufgefunden worden waren. Sie waren Fremde gewesen und hatten die Seuche wahrscheinlich eingeschleppt. Das Fieber wurde »Itak« genannt. Es raffte seine Opfer in kürzester Frist dahin, ließ sie verzweifelt nach Luft ringen, während sie innerlich verbrannten.
Jeden Tag inspizierte Bolitho seine Leute, suchte nach Anzeichen für die Krankheit, doch abgesehen von der Erschöpfung hielten sie sich gut. Das war mehr, als man von den Leuten im Fort sagen konnte. Bolitho hatte durch Keen verlangen lassen, daß Lebensmittel und Getränke über die Palisade zu ihnen herabgelassen wurden. Wirklich wurde dann beides heruntergeworfen, aber Keen hörte betrunkenes Gelächter, als ob sich die Siedlung in ein Irrenhaus verwandelt hätte.
Am nächsten Tag war Bolitho selbst ans Tor gegangen. Nachdem er lange in der Sonne gewartet hatte, vermutlich dabei von den beiden Wachen im Blockhaus ständig beobachtet und bewacht, war Raymond oben auf der Palisade
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