Fieber an Bord
»Diesen Kerl sollte man ...« Er bemerkte Bolithos Ausdruck und drehte sich schnell nach dem Schoner um. Selbst der Knall der Muskete lenkte ihre konzentrierte Aufmerksamkeit nicht ab, wenn auch der Chor der aufgeweckten Vögel genügte, die gesamte Insel zu alarmieren.
Langsam, zuerst schwach, doch gleich darauf mit einer schrecklichen Endgültigkeit, stieg vom Deck des Schoners eine Rauchsäule auf. Dann eine Flamme, die wie eine orange Zunge aus einer Luke aufschoß und den Klüver zu Asche verwandelte.
Keuchend sagte Keen: »Ein Brander!«
»Alarmieren Sie die Leute!«
Bolitho sah den Schoner schwanken, als ein Teil seines Hauptdecks mit einem großen Ausbruch von Flammen und Funken einbrach. Wie der Hölle entsprungene Ungeheuer breiteten sich die Flammen über Segel und das geteerte Rigg aus, verwandelten das kleine Schiff in eine riesige Fackel. Bolitho nahm sogar den Widerschein der Flammen auf den festgemachten Segeln und den Wanten der Eurota s wahr, während der Wind den Schoner unausweichlich gegen das verankerte Schiff trieb.
»Ein Boot hat abgelegt, Sir!« Quare lud in wilder Hast abermals. »Die Schufte entkommen!«
Er unterbrach das Laden, als der Schoner dröhnend gegen den Rumpf der Eurota s stieß und ein weiterer Ausbruch von Rauch und wirbelnden Funken bis hoch über ihre Mastspitzen aufstieg.
Bolitho konnte jetzt hören, wie das Feuer übergriff, sich vorstellen, wie das zundertrockene Holz, das Tauwerk in einer einzigen Riesenfackel aufloderten. Er glaubte, einige Männer ins Meer springen zu sehen, und konnte das Entsetzen zwischen den Decks mitempfinden, als die Männer der Freiwache zu ihrem grauenhaften Flammentod erwachten.
Er spürte Violas Zittern und hörte sie leise an seiner Schulter schluchzen.
»Wir können gar nichts tun, Viola«, sagte er gepreßt.
»Manche werden den Strand erreichen, aber ich fürchte, daß die meisten umkommen.«
Damit war die Eurota s direkt vor Raymonds Augen ausgeschaltet worden. Sein Schiff, seine Rettung, sein Fluchtweg für den Fall, daß alles andere fehlschlug, stand knisternd in Flammen. Der Rauch rollte in einer dichten, erstickenden Woge vor dem Wind daher. Masten und Spieren wurden von den Flammen verzehrt und stürzten funkensprühend herab, innere Explosionen schleuderten Bruchstücke in die Luft, die die umliegende Wasserfläche wie mit weißschäumenden Pockennarben übersäten. Ein lauter Knall erschütterte den Rumpf und rollte als Echo donnernd um die Bucht. Als der Lärm schließlich ve rklang, begann die Eurota s zu sinken. Dampf wallte zischend auf und verdeckte ihren letzten Todeskampf, ehe sie auf Grund sank und nur noch das verkohlte Achterdeck über der Wasseroberfläche sichtbar blieb.
Keen fragte leise: »Warum, Sir?«
»Das war eine Nachricht für uns, Mr. Keen.« Bolitho wandte sich vom Wasser ab. Seine Augen schmerzten vom Rauch oder der Bitterkeit seiner Entdeckung. »Tuke hat seinen Preis genannt.« Er sah Hardacre an und fügte hinzu: »Nämlich diese Siedlung. Ohne den Schutz der Eurotas können wir sie nicht halten. Wenn er sich erst hier festgesetzt hat, ist ein Regiment Marinesoldaten notwendig, um ihn wieder zu vertreiben.«
Bedrückt fragte Keen: »Und wir haben keine Hilfe zu erwarten, Sir?«
Wie um diese Worte zu unterstreichen, brach der Bug des Schoners durch die Wasseroberfläche und trieb von dem großen, schäumenden Wirbel der Trümmer und verkohlten Überreste weg.
Abrupt sagte Bolitho: »Folgen Sie mir.«
Er fand Pyper und die übrigen Leute in der Nähe der Lazaretthütte. Auch die Rekonvaleszenten befanden sich dort.
Bolitho sah der Reihe nach jeden einzelnen an, ehe er begann: »Es ist meine Überzeugung, daß Tuke sich in den Besitz der Mittel gesetzt hat, um diese Insel und alle anderen zu erobern. Sonst würde er nicht einen Schoner als Brander vergeuden. Er wäre für seine Flottille zu wertvoll.« Er sah, daß er von allen verstanden wurde. »Tuke wird jeden Eingeborenen töten, der sich ihm widersetzt, und seine Methoden haben Sie ja kennengelernt, sowohl an Bord der Eurota s als auch an Land.«
Er wußte, daß Viola ihn genau beobachtete, sich ihrer eigenen Leiden erinnerte, als das Transportschiff gekapert worden war. Sie griff sich sogar an die Schulter, an die Stelle, wo ihr Kleid die rote Brandnarbe verbarg, die Tuke ihr beigebracht hatte.
Er fuhr fort: »Keiner von uns ist vom Fieber befallen worden, obwohl rings um uns viele daran gestorben sind. Vielleicht sind wir also
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