Fieber an Bord
hatte, seit er im Alter von zwölf Jahren zur See gegangen war, um sie zusammenzuhalten.
Während einer Schlacht war es entsetzlich, aber die Leiden und Mühsale hatten für die Überlebenden einen gewissen Sinn. Doch jetzt erlebten sie die Marine von einer Seite, von der Landratten nie etwas erfuhren und für die sie sich nicht im geringsten interessierten.
Bolitho sah ihn an, vielleicht erriet er Alldays Gedanken.
»Zum Wechsel bereit, Allday?«
Allday lächelte und beteiligte sich an dem Spiel.
»Aye, Captain, wenn Sie wirklich mit uns Teerjacken mithalten wollen.«
Jenner gelang ein krächzendes Lachen, und Miller sagte: »Ist schon recht, Sir. Sie tragen ja auch keine Kapitänsuniform mehr, oder?«
Bolitho setzte sich neben Allday auf die Ducht, während Pyper die Pinne übernahm.
Er mußte fragen: »Was meinen Sie, Allday?«
Die breiten Schultern hoben sich kurz. »Es heißt, der Teufel sorgt für die Seinen. Jedenfalls haben wir eine Chance, das steht fest.«
Bolitho legte sich in den Riemen, verschloß die Augen vor der erbarmungslosen Sonne. Kein Wasser mehr, nur noch ein paar Kokosnüsse und Schiffszwieback. Und dennoch vertrauten sie ihm noch. Es war unverständlich.
Er dachte an Pypers rührenden Mut und zwang sich zu sagen: Wenn , nicht falls.
Sein Riemen stieß mit einem anderen zusammen, und er bemerkte, daß er beinahe eingeschlafen oder in Betäubung gefallen war. Die Erkenntnis verhalf ihm, wieder klar zu denken, und er bediente den Riemen mit unerwarteter Kraft. Als er das nächste Mal übers Dollbord blickte, bemerkte er, daß ein deutlich sichtbares Kielwasser den Erfolg ihrer Anstrengungen erkennen ließ. Er schloß fest die Augen und legte sich wieder in seinen Riemen.
Wenn, nicht falls.
Eine Quelle der Kraft
Zwei Nächte, nachdem Bolitho die letzten Reste Wein und Wasser ausgegeben hatte, fiel ein Sturm mit solcher Wildheit über sie her, daß sie glaubten, nun wäre alles zu Ende. Er traf den Kutter kurz nach Anbruch der Nacht und verwandelte die See zu einem Aufruhr wahnwitziger, schäumender Wellen mit Brechern, die gewaltig genug waren, um nahezu alles zu überschwemmen.
Stunde um Stunde wurden sie im wirbelnden Wasser hin- und hergeworfen, kämpften sie darum, das Boot vor dem Umschlagen zu bewahren. Millers Segel wurde samt Rigg in die gischterfüllte Finsternis gerissen, und loses Zeug, Kleidungsstücke und ein Riemen folgten bald.
Es war ein rasender, unnachgiebiger Kampf um das Überleben. Keine Befehle wurden gegeben, und keine wurden erwartet. Die erschöpften, zerschlagenen Männer schöpften Wasser oder saßen an den Riemen, von sprühendem Wasser geblendet, fast taub vom Dröhnen der brechenden Wellen und dem jubilierenden Heulen des Windes.
Und dann, als Bolitho ein leichtes Nachlassen in der Gewalt des Sturmes wahrnahm, kam der Regen. Langsam zuerst schlugen ihnen die schweren Tropfen wie Hagelkörner auf Köpfe und Körper, doch dann mit lautem Zischen, und schienen allein durch ihr Gewicht den hohen Wellengang zu dämpfen.
Heiser schrie er: »Schnell, Leute! Auffangen!«
Mit Stoffetzen, Bechern, allem, was ihnen zur Verfügung stand, versuchten sie, in dem vom Meerwasser überschwemmten Boot das kostbare Naß aufzufangen. Die Kranken und Verletzten und die Handvoll Männer an den Riemen hielten ihre Gesichter in den Guß, die Augen fest zugepreßt, die Münder weit geöffnet, um das aufzunehmen, was ihnen wie ein Wunder erscheinen mußte.
Bolitho wischte sich das Wasser aus Gesicht und Haar und wandte sich an Viola: »Dein Gebet ist erhört worden, Viola. Siehst du!«
Blindlings tasteten sie nacheinander, ergriffen sich bei den Händen, dankbar für den niederrauschenden Regen.
Wenn er nur früher gekommen wäre und ihnen den letzten qualvollen Tag erspart hätte. Sie hatten die letzten Kokosnüsse verteilt und versucht, jeden Tropfen Feuchtigkeit aus dem Fruchtfleisch zu saugen.
Am Nachmittag, als das Boot quer zum Seegang dahintrieb, wurden sie durch einen wilden Aufschrei von Penneck aus ihrem benommenen Zustand gerissen.
»Wasser! Um Gottes willen, Wasser!«
Und noch ehe jemand sich bewegen konnte, hatte er sich am Dollbord hochgezogen und war um sich schlagend und laut schreiend ins Meer gestürzt, während das Boot schnell von ihm abtrieb.
Woher er dazu die Kraft gefunden hatte, war Bolitho unerklärlich, aber er hatte die Pinne herumgerissen und die Ruderer aus ihrer Lethargie aufgestört. Orlando hatte sich im Bug aufgerichtet und war
Weitere Kostenlose Bücher