Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fieber an Bord

Fieber an Bord

Titel: Fieber an Bord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
Vom Netzwerk:
ihn hilflos machte.
    Er sah das Beiboot der Tempest , das träge zwischen Schiff und Ufer dahinglitt, die Waffen im Boot in der Sonne glänzend. Zwar hatten sie von der französischen Fregatte und Tukes Schonern keine Spur entdecken können, aber sie hatten trotzdem Gesellschaft. Große Kriegskanus, dicht besetzt mit dunklen Gestalten, hatten sich, soweit sie es wagten, dem Schiff genähert, wachten und beobachteten, ob die Besatzung der Tempes t es wagen würde, die Heiligkeit der Insel durch eine Landung zu stören.
    In Gedanken kehrte Herrick häufig zu der Siedlung zurück und fragte sich besorgt, was dort wohl geschah. An Bord hatten sich keine Anzeichen des Fiebers gezeigt, so daß es wahrscheinlich erschien, daß es örtlich begrenzt blieb und nur Personen befiel, die sich seiner unmittelbaren Nähe aussetzten und nicht die Widerstandskraft eines Matrosen besaßen.
    Er hatte mehrmals mit dem Schiffsarzt darüber gesprochen, doch das hatte ihm wenig geholfen. Gwyther hatte dem ungeduldigen Herrick auseinandergesetzt, daß ein »leichter Schnupfen«, der einem Landpfarrer in England nicht schadete, auf einer der Inseln Mann für Mann, Frau um Frau und Kind um Kind umbringen konnte, wenn die entsprechenden Vorbedingungen herrschten, andererseits aber kein Europäer die schrecklichen Qualen mancher Weihezeremonien überstehen würde, die hier vollzogen und widerspruchslos hingenommen wurden. »Das ist alles eine Frage des Ausgewogenseins, verstehen Sie?« hatte der Arzt gesagt.
    Herrick wischte sich über das Gesicht. Es war wirklich eine Frage des Ausgewogenseins.
    Borlase erschien an Deck und beobachtete ihn verstohlen.
    »Haben Sie eine Entscheidung getroffen, Mr. Herrick?«
    »Noch nicht.«
    Herrick versuchte, die Frage in Gedanken beiseite zu schieben. Vor fünfzehn Tagen hatte er die Levu-Inseln verlassen und beobachtet, wie Bolitho an Land gerudert wurde. Inzwischen hätte er etwas von ihm hören müssen. Er fragte sich, was Bolitho sagen würde, wenn er von seinem Brief erfuhr. In seiner runden Handschrift hatte Herrick einen privaten Bericht an Kommodore Sayer in Sydney aufgesetzt und ihn zu der Brigg Pigeo n geschickt, ehe sie Anker gelichtet hatte.
    Herrick war über Kriegsgerichte und Untersuchungsausschüsse ausreichend informiert. Er wußte, daß ein Dokument, das zur Zeit der Vorgänge, die untersucht wurden, aufgesetzt worden war, weit mehr Gewicht besaß als ein sehr viel später niedergeschriebener, sorgfältig formulierter Bericht, wenn der Betroffene bereits wußte, welchen Weg die Dinge nehmen würden. Allerdings war schwer vorauszusehen, welche Beachtung die Ansicht eines gewöhnlichen Leutnants finden würde. Doch der Gedanke an dieses Schwein Raymond, der seinen Einfluß und seine Arglist benutzen würde, um Bolitho zu vernichten, konnte ihn nicht tatenlos beiseitestehen und zusehen lassen.
    Er sah Borlase an, der mit seinem kindlichen Lächeln wartete.
    »Ich habe die Befehle des Kapitäns ausgeführt. Doch von der Narva l oder den Piraten haben wir nicht das Geringste erfahren. Wenn es zu einem Seegefecht gekommen wäre, hätten wir doch bestimmt etwas entdeckt. Treibholz, Tote, irgend etwas.«
    Herrick zwang sich, zurückzudenken. Er hatte Hardacres kleinen Schoner vor der Nordinsel entdeckt, aber der Kapitän hatte ihm nichts zu berichten. Er war sehr froh, daß er Herrick begegnete, und noch glücklicher darüber, daß er zu der Siedlung zurückbeordert wurde. Für seinen Geschmack gab es in dieser Gegend zur Zeit zu viele Kriegskanus. Es war mehr als wahrscheinlich, daß Bolitho den Schoner mit neuen Anweisungen hierher nach Rutara zurückschicken würde. Ärgerlich schüttelte er den Kopf. Nein, er tat es schon wieder. Schloß die Augen. Wich der Verantwortung aus.
    Er dachte ruhiger darüber nach. Auf einem Kriegsschiff konnte es jederzeit ge schehen. Durch Zufall, in der Schlacht, durch Krankheit konnte ein Kapitän sterben. Dann übernahm sein ranghöchster Untergebener das Kommando. Und so weiter. Etwas anderes gab es nicht.
    Und hier, Tausende von Meilen von aller Welt entfernt, lag die Bürde nun auf ihm.
    Unvermittelt sagte er: »Ich werde morgen Anker lichten lassen.« Er sah Borlases Augen aufblitzen. »Der Schoner hätte uns Nachricht bringen müssen.«
    Borlase schlug die Augen nieder. »Das ist ein schwerer Entschluß für Sie.«
    »Verdammt noch mal, glauben Sie, das wüßte ich nicht selbst, Sie Narr!«
    Borlase errötete. »Ich bedauere, daß Sie diese Haltung

Weitere Kostenlose Bücher