Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fieber an Bord

Fieber an Bord

Titel: Fieber an Bord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
Vom Netzwerk:
entgangen. Sie hatten also über Bolitho gesprochen. Merkwürdig war nur die gespannte Stimmung. Vielleicht beruhte sie auf der Befürchtung, daß der Kommodore ihm etwas weitersagen würde, was nicht für Bolithos Ohren bestimmt war.
    Dann fuhr der Gouverneur fort: »Sie werden eben die Tempes t abstellen. Ich bin schon dabei, die entsprechenden Befehle aufzusetzen. Ich habe auch Anweisung gegeben, die Eurota s wieder mit allem auszurüsten, über das wir verfügen. Mit Geld und Kanonen sieht es allerdings schlecht aus«, hatte er erbittert hinzugefügt.
    Raymond hatte sich entschuldigt und war in einen anderen Teil der Residenz gegangen, wo er und seine Frau wohnten. Sayer hatte erwartet, daß Raymond Zeichen der Dankbarkeit zeigen würde, daß er überlebt hatte, und Mitgefühl für die weniger Glücklichen. Aber es war, als ob er die Erinnerung an die Ereignisse aus seinem Gedächtnis getilgt hätte. Sobald Sayer mit dem Gouverneur allein war, erlebte er seine zweite Überraschung.
    »Ich kann Ihnen versichern, Sayer, wenn Bolitho das Schiff nicht wiedererobert hätte, wenn seine Tapferkeit nicht so offenkundig wäre und er nicht so viele Menschen gerettet hätte, würde ich Ihnen befehlen, ihn vor ein Kriegsgericht zu stellen.«
    Sayer war völlig verblüfft. »Dagegen muß ich protestieren, Sir! Ich kenne Bolithos Laufbahn. Er ist in jeder Hinsicht ein hervorragender Offizier, wie es sein Vater schon war.«
    »Und sein Bruder?« Der Gouverneur hatte den Kommodore eisig angesehen. »Mr. Raymond sagte mir, daß Bolithos Bruder ein Verräter war, ein verdammter Überläufer im Krieg!« Darauf hatte er eine Hand erhoben. »Das war unfair von mir, Sayer, aber es entspricht meinen Empfindungen. Ich bin überarbeitet, überfordert durch die Zwiste in der Kolonie und die Unfähigkeit meines Verwaltungspersonals.
    Und nun noch dieses. James Raymond, ein wichtiger Mann aus London, der das Ohr des Premierministers und wahrscheinlich auch das des Königs hat, beschuldigt Bolitho einer Liaison mit seiner Frau.«
    Das war es also. Irgendwo in Sayers Gedächtnis lebte etwas wieder auf: Vor vier oder fünf Jahren hatte Bolitho die Fregatte Undin e kommandiert und mit ihr eine andere neue Handelsmission unterstützt. In Borneo, das war es. Der Gouverneur dieses gottverlassenen Orts war ein Admiral im Ruhestand gewesen. Es hatte Gerede über ein Verhältnis zwischen der Frau eines Regierungsbeamten und einem jungen Fregattenkapitän gegeben.
    Der Gouverneur sagte knapp: »Ich sehe Ihrem Gesicht an, Sayer, daß Sie schon davon gehört haben.«
    »Nein, Sir. Das war vor langer Zeit. Und nur Gerüchte.«
    »Mag sein. Aber durch eine unerfreuliche Fügung des Schicksals wurden sie hier wieder zusammengeführt. Und es ist nicht dasselbe wie früher. Bolitho ist nach wie vor Fregattenkapitän, während Raymond an Einfluß gewonnen hat, kaum aber an Nachsicht. Versuchen Sie, es von meinem Standpunkt aus zu sehen. Ich kann mir keine zusätzlichen Probleme leisten. Mit meinen Depeschen werde ich einen Antrag nach London schicken, daß die Tempes t hier abgelöst wird. Ich bin kein solcher Tyrann, daß ich gleich die Absetzung ihres Kommandanten verlange.«
    Der Gouverneur hatte mehr oder minder deutlich eingeräumt, daß er von Raymond keinen guten Eindruck gewonnen hatte. Doch was änderte das schon, überlegte Sayer.
    Als er jetzt wieder in seiner Kajüte stand, war er unsicher, wie er Bolitho gegenübertreten sollte. Der war ein ausge – zeichneter Offizier, wichtiger noch, ein guter Mann. Doch Sayer hatte seine Verantwortung. Es ging wieder einmal um die Hierarchie.
    Sein Kapitän blickte in die Kajüte. »Die Gig der Tempest legt an, Sir.«
    »Gut. Empfangen Sie Kapitän Bolitho und bringen Sie ihn nach achtern.«
    Er wandte sich wieder den Fenstern zu. Mrs. Raymond war eine sehr schöne Frau, hatte er gehört. Er nahm an, daß sie lediglich als Begleitung ihres Mannes mitgekommen war. Sie würde kaum in die Gesellschaft von Sydney passen: Beamte, Milizionäre, deren Ehefrauen und Mätressen. In Cornwall hatte Sayer mehr gesellschaftliche Veranstaltungen erlebt als hier draußen. Nicht ganz das Richtige für eine Dame aus guter Familie.
    Er hörte das Stampfen von Füßen, das Trillern der Bootsmannspfeifen, als Seite gepfiffen wurde, um den besuchenden Kapitän gebührend zu empfangen. Sayer wandte sich der Tür zu und riß sich zusammen.
    Als Bolitho eintrat, sah er genauso aus wie am Vormittag. In seiner Paradeuniform, den

Weitere Kostenlose Bücher