Fieber an Bord
sicheren Ankerplatz zu wählen, wurde die Besatzung auch noch durch einen wachsenden Schwarm von Eingeborenenbooten behindert.
Die Eingeborenen unterschieden sich von den anderen, denen die Tempes t bisher begegnet war. Ihre Haut war heller, ihre Nasen waren weniger platt, und die meisten wiesen nicht die reichen Tätowierungen oder Schmucknarben anderer Eingeborener auf. Die Mädchen in den Kanus oder im Wasser lösten viele beifällige Bemerkungen der Seeleute aus und waren sich offenkundig des Interesses, das sie erregten, wohl bewußt.
Scollay, der Schiffsprofoß, stellte mürrisch fest: »Durch die werden wir noch viel Ärger kriegen, verlaßt euch drauf.« Aber er war genauso bereit, den Mädchen zuzuzwinken und zuzulächeln wie die anderen.
Sobald der Anker gefaßt hatte, kam Herrick nach achtern und machte Bolitho Meldung.
Bolitho richtete sein Glas an der jetzt ebenfalls verankerten Eurota s vorbei auf das Ufer und den weißen Strand. Eine flache Brandung, üppige grüne Bäume, die ihre Schatten bis auf die ersten Wellen warfen, und leuchtend blaues Wasser. Dahinter, durch Dunst oder tiefhängende Wolken teilweise verdeckt, glänzte die höchste Erhebung der Insel wie polierter Schiefer, überragte die anderen Berge und die Wälder wie eine vollkommene Pyramide. Es war paradiesisch.
Dies, und wahrscheinlich nichts anderes, mochte die Besatzung der Bount y zur Meuterei veranlaßt haben. Anders als in den Slums und Hafenstädten, aus denen so viele Matrosen kamen, gab es hier Wärme, freundliche, gastfreie Eingeborene und Nahrungsmittel in Fülle.
Bolitho richtete sein Glas auf die Siedlung. Hier ging es weniger paradiesisch zu.
Auch Herrick hatte die wuchtigen Palisaden und soliden Blockhäuser im Blickfeld, das Hauptgebäude hinter dem äußeren Befestigungsring und die wehende Flagge darüber.
Anlagen wie diese befanden sich überall im Pazifik, in Ost- und Westindien und angeblich so weit nördlich wie China.
»Gut gelegen.« Das war alles, womit Herrick seinen Eindruck beschrieb. Wahrscheinlich dachte er wie Bolitho an Viola, die nur mit ihrer Zofe, ohne Freundinnen, in diesem abgelegenen Handelsplatz allein gelassen werden sollte.
An einer gebrechlich wirkenden Pier lag ein kleiner Schoner, in dessen Nähe mehrere Langboote festgemacht hatten. Zweifellos wurde er für Besuche auf defr Nachbarinseln eingesetzt. Neben ihm mußten die Eurotas und die Tempes t wie Giganten erscheinen.
Keen kam nach achtern, er schien besorgt. »Was soll ich mit den Eingeborenen anfangen, Sir? Sie wollen an Bord. Aber sie werden uns überrennen.«
Herrick suchte mit einem Blick Bolithos Zustimmung und sagte ungerührt: »Lassen Sie sie in kontrollierbaren Gruppen herauf, Mr. Keen. Hindern Sie sie daran, sich unter Deck zu schleichen, und achten Sie darauf, daß keine einheimischen Getränke an Bord geschmuggelt werden.« Er grinste über Keens Verwirrung. »Und haben Sie auch ein wachsames Auge auf unsere eigenen Leute. Denken Sie daran, daß sie schon lange keine Mädchen mehr gesehen haben.«
Die ersten Eingeborenen kamen bereitwillig, und innerhalb weniger Minuten füllten das Deck leuchtend bunte Kleidungsstücke, Berge von Früchten und Kokosnüssen und zu Keens Verwunderung sogar ein quiekendes Ferkel.
Sie sind wie die Kinder, dachte Bolitho, als ein paar seiner Matrosen die Sprachbarriere zu überwinden versuchten; die kichernden Mädchen mit langem schwarzem Haar und kaum verhüllten Körpern deuteten auf die Messer und Tätowierungen der Matrosen, stießen sich gegenseitig an und kreischten in hemmungslosem Gelächter.
Lakey sagte düster: »Wie lange wird es dauern, bis auch dieses Idyll verdorben ist?« Doch niemand beachtete ihn.
Es war nicht leicht, die Besucher wieder loszuwerden und Platz für die nächste Gruppe zu schaffen; einige Matrosen unterstützten Keen in seinen Bemühungen, indem sie die Mädchen packten und über Bord ins Wasser fallen ließen, wo sie munter und vergnügt versanken und wieder auftauchten.
Schließlich sagte Bolitho: »Ich muß an Land, Thomas. Stellen Sie eine verläßliche Ankerwache ab und lassen Sie ein Wachtboot zu Wasser. Zwar sieht alles sehr friedlich aus, aber ...«
Herrick nickte. »Jawohl, Sir. das Wort ›aber‹ scheint immer alles zu verderben.«
Er folgte Bolitho nach achtern in den Salon, wo Noddall und Allday durch die schrägen Heckfenster spähten und einigen unsichtbaren Schwimmern unten zuwinkten.
»Auch Mr. Bynoe wird zweifellos an Land
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