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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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sein können. Aber Ihr Volk, Abner - Ihre Leute haben einen solchen Trieb nicht. Dieses Wesen, dem ich im Wald hinter New Madrid begegnete, es hat diesen Roten Durst niemals verspürt, es hätte alles mögliche werden können, hätte alles mögliche tun können. Statt dessen hat es sich entschieden, das zu werden, was es war. Oh, eines ist klar, die Schuld trägt auch ein Angehöriger meiner Rasse - der Mann, der den Alten belogen hat, der ihm Dinge versprochen hat, die niemals eintreten konnten. Dennoch kann ich den Grund verstehen, sosehr ich ihn auch verabscheue. Ein Verbündeter unter Ihren Leuten kann eine entscheidende Bedeutung haben. Wir alle kennen die Angst, Abner, meine Rasse und Ihre gleichermaßen.
    Was ich nicht verstehen kann: warum einer von euch sich sosehr ein Leben in der Finsternis wünscht, warum er sich nach dem Roten Durst sehnt. Doch er wünschte ihn sich, und das mit aller Heftigkeit und Leidenschaft. Er flehte mich an, ihn nicht zu verlassen, wie der andere Blutmeister es getan hatte. Ich konnte ihm nicht geben, was er sich wünschte. Ich wollte es nicht, selbst wenn es möglich gewesen wäre. Ich gab ihm, was ich ihm geben konnte.«
    »Sie haben ihm seine verdammte Kehle zerfetzt, nicht wahr?« fragte Abner Marsh in die Dunkelheit.
    »Ich habe dich gewarnt«, meinte Valerie. Marsh hatte beinahe vergessen, daß sie da war, weil sie keinen Laut von sich gegeben hatte. »Er begreift nicht. Hör ihn dir an.«
    »Ich habe ihn getötet«, gestand Joshua, »mit bloßen Händen. Ja, sein Blut rann mir über die Finger, versickerte in der Erde. Aber es berührte niemals meine Lippen, Abner. Und ich habe ihn ansonsten unversehrt begraben.«
    Wieder breitete sich Stille in der Kabine aus, während Abner Marsh sich am Bart zupfte und nachdachte. »Die freie Wahl, sagten Sie«, meinte er schließlich, »das sei der Unterschied zwischen Gut und Böse, sagten Sie. Nun sieht es so aus, als sei ich derjenige, der eine Entscheidung treffen muß.«
    »Wir alle treffen unsere Wahl, Abner. Jeden Tag.«
    »Das kann schon sein«, sagte Marsh. »Trotzdem bin ich im besonderen auf diese Entscheidung nicht erpicht. Sie sagen, Sie wollen meine Hilfe, Joshua. Sagen wir mal, ich gebe sie Ihnen. In welcher Weise unterscheide ich mich denn dann von diesem verdammten alten Mulatten, den Sie getötet haben? Beantworten Sie mir das!«
    »Ich würde Sie niemals zu - so etwas machen«, erwiderte Joshua. »Das habe ich nie versucht. Abner, ich werde noch jahrhundertelang leben, wenn Sie schon lange tot und vergangen sind. Habe ich jemals versucht, Sie damit zu locken?«
    »Sie haben mich statt dessen mit einem gottverdammten Dampfschiff in Versuchung geführt«, entgegnete Marsh. »Und ganz gewiß haben Sie mir einen Haufen Lügen erzählt.«
    »Sogar in meinen Lügen steckte eine gewisse Art von Wahrheit, Abner. Ich habe Ihnen erzählt, ich suche Vampire, um ihnen das Böse auszutreiben. Erkennen Sie denn nicht die Wahrheit darin, die Notwendigkeit? Ich brauche Ihre Hilfe, Abner, aber als Partner, und nicht so, wie ein Blutmeister einen menschlichen Sklaven braucht.«
    Abner Marsh ließ sich das durch den Kopf gehen. »Na schön«, meinte er. »Vielleicht glaube ich Ihnen. Vielleicht sollte ich Ihnen auch trauen. Aber wenn Sie mich als Partner gewinnen wollen, dann müssen auch Sie Vertrauen zu mir haben.«
    »Ich habe Ihnen mein Geheimnis offenbart. Reicht das nicht?«
    »Zur Hölle, nein«, sagte Abner Marsh. »Schön, Sie haben mir die Wahrheit erzählt, und nun warten Sie auf eine Antwort. Nur wenn ich die falsche Antwort gebe, dann werde ich diese Kabine wohl nicht mehr lebendig verlassen, wie? Dafür wird Ihre Freundin sorgen, wenn Sie es nicht tun.«
    »Sehr schlau erkannt, Captain Marsh«, ließ Valerie sich aus der Dunkelheit vernehmen. »Ich hege keinen Groll gegen Sie, aber Joshua darf auf keinen Fall etwas zustoßen.«
    Marsh schnaubte. »Sehen Sie, was ich meine? Das hat nichts mit Vertrauen zu tun. Wir sind auf diesem Dampfer keine Partner mehr. Die Dinge sind ziemlich ungleich verteilt. Sie können mich töten, wann immer Sie wollen. So, wie ich das betrachte, macht mich das zu einem Sklaven, und nicht zu einem Partner. Außerdem bin ich allein. Sie haben alle Ihre blutsaufenden Freunde an Bord geholt, damit die Ihnen helfen, falls es Schwierigkeiten gibt. Gott weiß, was Sie im Sinn haben, Sie werden es mir ganz gewiß nicht verraten. Aber ich darf auch mit niemandem reden, wie Sie sagen, Joshua. Zur Hölle,

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