Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
Vom Netzwerk:
verhangen, auf Lichter in der Ferne gerichtet. Als er schließlich wieder den Kopf drehte, fingen seine Pupillen erneut die einzelne Kerzenflamme ein und hielten sie mit ihrem rötlichen flackernden Schein fest. Sein Gesicht wirkte plötzlich schlanker, raubtierhaft. »Das Getränk, Billy«, drängte er, weil er mehr hören wollte.
    »Er verlangt, daß alle es trinken«, sagte Sour Billy. Er lehnte sich gegen die Tür und zog sein Messer hervor. Es war ein gutes Gefühl, es wieder in der Hand zu halten. Er fing an, den Schmutz unter seinen Fingernägel wegzukratzen, während er redete. »Es ist nicht nur Blut, sagte Cara. Es ist noch etwas anderes darin. Es tötet den Durst, das sagen sie alle. Ich ging auf dem ganzen Schiff umher, sprach mit Raymond und Jean und Jorge und noch ein paar anderen. Sie haben es mir bestätigt. Jean war ganz begeistert von diesem Getränk, beschrieb, wie gut es ihm tut, wenn Sie das glauben können.«
    »Jean«, sagte Julian geringschätzig. »Demnach stimmt es also«, sagte Cynthia. »Er ist größer und stärker als der Durst.« »Da ist noch etwas«, fügte Sour Billy hinzu. »Raymond meinte, York habe sich mit Valerie zusammengetan.«
    Die Stille im Salon war voller Spannung. Kurt runzelte die Stirn. Michelle schlug die Augen nieder. Cynthia trank aus ihrem Glas. Sie alle wußten, daß Valerie, die schöne Valerie, Julians besonderer Liebling gewesen war; sie alle beobachteten ihn aufmerksam. Julian schien nachzudenken. »Valerie?« fragte er. »Ich verstehe.« Lange blasse Finger trommelten auf die Armlehne des Sessels.
    Sour Billy Tipton stocherte mit der Spitze seines Messers zwischen den Zähnen herum und schien zufrieden zu sein. Er hoffte, daß die Bemerkung über Valerie den Ausschlag geben werde. Damon Julian hatte Pläne mit Valerie gehabt, und Julian sah es gar nicht gern, wenn seine Pläne vereitelt wurden. Er hatte Billy alles darüber erzählt, mit einem Ausdruck verschlagener Belustigung, als Billy ihn gefragt hatte, warum er sie hatte wegschicken müssen. »Raymond ist jung und stark, und er kann sie festhalten«, hatte Julian geantwortet. »Sie werden allein sein, sie beide, allein miteinander und dem Durst. Eine romantische Vorstellung, findest du nicht auch? Und in einem Jahr oder in zwei oder in fünf wird Valerie schwanger sein. Am liebsten würde ich darauf wetten, Billy.« Und dann hatte er sein typisches wohltönendes tiefes Lachen ausgestoßen. Aber jetzt lachte er nicht.
    »Was tun wir, Damon?« fragte Kurt. »Gehen wir hin?«
    »Aber natürlich«, sagte Julian. »Wir dürfen eine solche freundliche Einladung kaum ausschlagen, und sie wurde außerdem noch von einem König ausgesprochen. Möchtest du denn seinen Wein nicht kosten?« Er sah sie nacheinander an, und keiner von ihnen wagte zu reden. »Ach«, sagte Julian, »wo ist denn eure Begeisterung? Jean hat uns dieses Getränk empfohlen, und Valerie wird es genauso tun, kein Zweifel. Ein Wein, süßer als Blut, voll des Stoffs, der das Leben ist. Denkt nur einmal an den Frieden, den dieses Zeug uns bringen wird.« Er lächelte. Niemand redete. Er wartete. Als die Stille für einige Zeit andauerte, zuckte Julian die Achseln und meinte: »Nun denn, ich hoffe, der König schaut nicht geringschätzig auf uns herab, wenn wir andere Getränke bevorzugen.«
    »Er zwingt die anderen, den Stoff zu trinken, ob sie es wollen oder nicht.«
    »Damon«, sagte Cynthia, »wirst du seine Einladung - zurückweisen? Das kannst du nicht tun. Wir müssen ihn aufsuchen. Wir müssen tun, wozu er uns aufgefordert hat. Wir müssen!«
    Julian drehte langsam den Kopf und sah sie wieder an. »Meinst du das wirklich?« fragte er mit einem schmalen Lächeln. »Ja«, flüsterte Cynthia, »wir müssen. Er ist ein Blutmeister.« Sie schlug die Augen nieder.
    »Cynthia«, verlangte Damon Julian, »sieh mich an.«
    Langsam, mit einem Ausdruck abgrundtiefen Widerwillens, hob sie den Kopf, bis sie in Julians Augen blickte. »Nein«, wimmerte sie, »bitte! Oh, bitte!«
    Damon Julian schwieg. Cynthia wandte den Blick nicht ab. Sie rutschte aus dem Sessel, kniete auf dem Teppich, zitterte. Ein Armband aus gesponnenen Goldfäden und Amethysten schimmerte an ihrem schlanken Handgelenk. Sie schob es beiseite, und ihre Lippen klafften einen Spaltbreit auseinander, als wolle sie etwas sagen, und dann hob sie die Hand und führte sie an den Mund. Das Blut begann zu fließen.
    Julian wartete, bis sie über den Teppich zu ihm gekrochen war und den

Weitere Kostenlose Bücher