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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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Ich kann Ihnen die Mühe ersparen. Sehen Sie, der Mann, den Sie suchen, wartet schon auf Sie. Wenn es also dunkel wird, dann bestellen Sie das Ihrem Meister, hören Sie? Sagen Sie ihm, Damon Julian erwartet ihn im St. Louis Hotel. Mister Julian ist ganz wild darauf, seine Bekanntschaft zu machen.«

KAPITEL SECHZEHN
 
New Orleans, August 1857
     
     
    S our Billy Tipton kehrte an diesem Abend mehr als nur ein wenig furchtsam ins St. Louis Hotel zurück. Julian würde die Nachricht nicht gefallen, die er von der Fiebertraum mitbrachte, und Julian war gefährlich und unberechenbar, wenn er sich ärgerte.
    In dem verdunkelten Salon ihrer luxuriösen Suite war nur eine einzige Kerze angezündet worden. Ihre Flamme spiegelte sich in Julians schwarzen Augen wider, während er in einem tiefen Samtsessel am Fenster saß und einen Sazerac trank. In dem Raum war es still. Sour Billy spürte die prüfenden Blicke wie eine schwere Last auf sich. Der Riegel gab ein tödliches leises Klicken von sich, als die Tür hinter ihm zufiel. »Und, Billy?« fragte Damon Julian leise.
    »Sie werden nicht kommen, Mister Julian«, sagte Sour Billy einen Deut zu schnell, ein wenig zu atemlos. Im schwachen Licht konnte er Julians Reaktion nicht erkennen. »Er sagt, Sie müssen zu ihm kommen.«
    »Er sagt«, wiederholte Julian. »Wer ist er , Billy?«
    »Er«, sagte Sour Billy. »Der - der andere Blutmeister. Joshua York, so nennt er sich. Der, von dem Raymond Ihnen geschrieben hat. Der andere, dieser Cap’n Marsh, der Dicke mit den Warzen und dem Schnurrbart, er will auch nicht kommen. Der ist auch verdammt grob. Aber ich wartete bis zur Dunkelheit, bis der Blutmeister aufstand. Schließlich ließen sie mich zu ihm.« Sour Billy fror noch immer, spürte die Kälte, als er sich an die Art und Weise erinnerte, wie der Blick aus Yorks grauen, so grauen Augen ihn getroffen hatte und seine Not erkannt hatte. So viel bitterer Abscheu hatte in diesen Augen geflackert, daß Billy den Blick abgewandt hatte.
    »Erzähl uns doch, Billy«, sagte Damon Julian, »wie ist er, dieser andere! Dieser Joshua York. Dieser Blutmeister .«
    »Er ist . . . «, begann Billy, suchte nach Worten, »er ist . . . Weiß, also, seine Haut und alles ist sehr blaß, und auch sein Haar ist völlig ohne Farbe. Er trug sogar einen weißen Anzug. Und Silber, er hatte eine Menge Silber. Er bewegt sich - wie einer dieser verdammten Kreolen, Mister Julian, stolz und herrisch. Er ist . . . Er ist wie Sie, Mister Julian. Seine Augen . . . «
    »Fahl und stark«, murmelte Cynthia aus einer entfernten Ecke des Raums. »Und mit einem Wein, der den roten Durst bezwingt. Ist er es, Damon? Er muß es sein. Es stimmt demnach. Valerie glaubte schon immer an die Geschichten, und ich habe sie deshalb verspottet, aber es muß so sein. Er wird uns alle zusammenbringen, wird uns zurückführen zur versunkenen Stadt, in die dunkle Heimat. In unser Königreich, unser Land. Es stimmt doch, nicht wahr? Er ist der Blutmeister der Blutmeister, der König, auf den wir gewartet haben.« Sie blickte Damon Julian gespannt an und wartete auf eine Antwort.
    Damon Julian nippte an seinem Sazerac und lächelte verschlagen, raubtierhaft. »Ein König«, sinnierte er. »Und was hat dieser König zu dir gesagt, Billy? Erzähl’s uns!«
    »Er forderte Sie auf, zum Schiff zu kommen, Sie alle. Morgen, nach Einbruch der Dunkelheit. Zum Dinner, sagte er. Er und Marsh werden nicht herkommen, wie Sie es wünschten, allein. Dieser Marsh meinte, wenn sie zu Ihnen kämen, dann wären noch andere bei ihnen.«
    »Der König ist seltsam ängstlich«, stellte Julian fest.
    »Töten Sie ihn!« platzte Sour Billy plötzlich heraus. »Gehen Sie zu diesem verdammten Schiff und töten Sie ihn, töten Sie alle! Er darf nicht leben, Mister Julian. Seine Augen, wie ein verdammter Kreole, so hat er mich angeschaut. Als wäre ich eine Laus, ein Nichts, obwohl ich doch von Ihnen kam. Er glaubt, er ist besser als Sie, und die anderen auch, dieser warzige Kapitän und sein verdammter Zahlmeister, alle herausgeputzt, lassen Sie mich mit dem Messer zu ihm, ich schneide ihn auf, bis sein Blut über die feinen Kleider fließt. Sie müssen ihn töten, Sie müssen !«
    In dem Raum war es nach Sour Billys Ausbruch still. Julian schaute aus dem Fenster in die Nacht. Die Fenster waren weit geöffnet worden, so daß die Vorhänge sich sacht in der Nachtluft bauschten und der Straßenlärm von unten heraufdrang. Julians Augen waren dunkel,

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