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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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Einbruch der Dämmerung heute abend wieder. Sorgen Sie dafür, daß das Schiff bald ablegen kann. Wir werden das Nötige so schnell wie möglich in Angriff nehmen.«
    »Ich lasse die Kessel aufheizen«, versprach Marsh, ehe er endgültig ging.
    Draußen war es Tag geworden.
    Es scheint so etwa neun Uhr zu sein, dachte Abner Marsh, als er blinzelnd vor der Kapitänskajüte stand und nachdem Joshua die Tür hinter ihm verriegelt hatte. Der Morgen war trist; heiß und stickig mit grauen Wolken am Himmel, die die Sonne verdeckten. Der Ruß und Qualm der Flußdampfer hingen in der Luft. Es gibt wohl bald ein Unwetter, dachte Abner Marsh, und diese Aussicht behagte ihm nicht. Er wurde sich plötzlich bewußt, wie wenig Schlaf er bekommen hatte, und fühlte sich unendlich müde, aber es gab noch so viel zu tun, daß er an ein Nickerchen nicht einmal nur zu denken wagte.
    Er ging in den Hauptsalon hinunter und hoffte, daß ein Frühstück seine Lebensgeister schon wecken würde. Er trank eine Gallone heißen schwarzen Kaffee, während Toby ihm ein paar gekochte Rindfleischscheiben sowie Waffeln und Blaubeeren brachte. Während er aß, betrat Jonathon Jeffers den Salon, entdeckte ihn und kam zu seinem Tisch herüber.
    »Setzen Sie sich und essen Sie mit!« lud Marsh ihn ein. »Ich muß ausführlich mit Ihnen reden, Mister Jeffers. Allerdings nicht unbedingt hier und jetzt. Ich will lieber erst meine Mahlzeit beenden, und dann gehen wir in meine Kabine.«
    »In Ordnung«, erwiderte Jeffers leicht geistesabwesend. »Cap’n, wo waren Sie die ganze Zeit über? Ich suche schon seit Stunden nach Ihnen. In Ihrer Kabine waren Sie nicht.«
    »Joshua und ich haben uns ein wenig unterhalten«, erklärte Marsh. »Was . . . ?« »Da ist ein Mann, der Sie sprechen will«, sagte Jeffers. »Er kam um Mitternacht an Bord. Er ist sehr hartnäckig.«
    »Gefällt mir gar nicht, wenn man mich warten läßt, als wäre ich irgendein wertloser Abschaum«, sagte der Fremde. Marsh hatte den Mann nicht einmal hereinkommen sehen. Ohne dazu aufgefordert worden zu sein, zog sich der Mann einen Stuhl heran und setzte sich. Er war ein häßlicher, ausgezehrt wirkender Bursche, das Gesicht mit Pockennarben übersät. Dünnes schlaffes braunes Haar hing ihm in Strähnen in die Stirn. Der Teint sah ungesund aus, und Teile des Haars und Flecken auf der Haut waren mit schuppigen weißen Flocken bedeckt, als hätte er in seinem eigenen Schneeschauer gestanden. Indessen trug er einen teuren schwarzen Wollanzug, ein Hemd mit Rüschen und einen Kameering.
    Abner Marsh ließ sich von seinem Aussehen, seinem Ton, den schmalen Lippen und den eisfarbenen Augen nicht einschüchtern. »Wer, zum Teufel, sind Sie?« fragte er grimmig. »Ich hoffe für Sie, daß Sie einen verdammt guten Grund haben, um mich beim Frühstück zu belästigen, denn sonst lasse ich Sie in den Fluß werfen.« Schon allein das Aussprechen der Worte bewirkte, daß Marsh sich besser fühlte. Er war schon immer der Meinung gewesen, daß kein Reiz darin lag, Dampfschiffkapitän zu sein, wenn man nicht ab und zu jemandem sagen konnte, er möge zur Hölle fahren.
    Die säuerliche Miene des Fremden veränderte sich nicht, aber er richtete die eisigen Augen mit einem Ausdruck spöttischer Bosheit auf Marsh. »Ich will eine Passage auf Ihrem eleganten Kahn lösen.«
    »Einen Teufel werden Sie«, entgegnete Marsh. »Soll ich Hairy Mike rufen, damit er diesen Kerl wegschafft?« bot Jeffers kühl seine Hilfe an.
    Der Mann streifte den Zahlmeister mit einem kurzen haßerfüllten Blick. Seine Augen sahen wieder Marsh an. »Cap’n Marsh, ich war gestern abend hier, um Ihnen und Ihrem Partner eine Einladung zu überbringen. Dachte, daß wenigstens einer von Ihnen abends zu erreichen wäre. Nun, jetzt ist Tag, deshalb gilt die Einladung für heute abend. Dinner im St. Louis, eine Stunde nach Sonnenuntergang, mit Ihnen und Cap’n York.«
    »Ich kenne Sie nicht, und Sie interessieren mich nicht«, schnauzte Marsh. »Ich werde ganz gewiß nicht mit Ihnen zu Abend speisen. Überdies legt die Fiebertraum heute ab.«
    »Ich weiß. Und ich weiß auch, wohin.«
    Marsh runzelte die Stirn. »Was sagen Sie da?«
    »Sie kennen die Nigger nicht, ich aber. Wenn ein Nigger etwas hört, dann weiß es bald jeder Nigger in der Stadt. Und ich, ich höre gut zu. Sie sollten mit Ihrem großen schönen Dampfer nicht den Bayou hochfahren, wie Sie es vorhaben. Sie laufen gewiß auf Grund und reißen sich am Ende noch den Rumpf auf.

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