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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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und der Rest klebt an der Wand.«
    Yorks graue Augen waren voller Abscheu. »Machen Sie schon voran«, sagte er. »Ich nehme an, Sie wollen, daß wir die Leiche in den Fluß werfen.«
    »Teufel, nein!« sagte Sour Billy. »Nun, wir werden diese Leiche verbrennen. Und zwar unten in einem der Öfen, Cap’n. Und wir bringen ihn auch nicht heimlich runter. Wir gehen mit ihm mitten durch den Salon und über die Haupttreppe hinunter.«
    »Warum, Billy?« fragte York kühl. »Tun Sie nur, was ich verlange!« schnappte Sour Billy. »Und für Sie bin ich immer noch Mister Tipton, Captain !«
    Sie wickelten Jeans Leiche in ein Laken, damit nichts davon zu sehen war. York wollte Kurt helfen, ihn hochzuheben, aber Sour Billy drängte ihn weg und packte selbst das andere Ende.
    »Sähe ein bißchen seltsam aus, wenn der Miteigner und Kapitän einen Toten trägt. Sie gehen einfach neben uns her und machen einen besorgten Eindruck.«
    Es bereitete York keine Mühe, ein besorgtes Gesicht zu machen. Sie öffneten die Tür zum großen Salon und traten hinaus, Jeans in Laken gehüllte Leiche zwischen Billy und Kurt. Die Abendtafel war noch halb besetzt. Jemand sog zischend die Luft ein, und alle Gespräche erstarben jäh.
    »Kann ich Ihnen behilflich sein, Cap’n York?« fragte ein kleiner Mann mit weißem Schnurrbart und Ölflecken auf der Weste. »Was ist passiert? Ist jemand gestorben?«
    »Bleiben Sie weg, Mann!« brüllte Sour Billy, als der Mann einen Schritt vorwärts und auf sie zu tat.
    »Tun Sie, was er sagt, Whitey!« meinte York.
    Der Mann verharrte. »Klar, sicher, aber . . . «
    »Es ist nur ein Toter«, sagte Sour Billy. »Er ist in seiner Kabine gestorben. Mister Jeffers hat ihn gefunden. Er ist in New Orleans zugestiegen und muß ziemlich krank gewesen sein. Er hatte rasendes Fieber, als Jeffers ihn stöhnen hörte.«
    Jeder der am Tisch Sitzenden blickte besorgt drein. Ein Mann wurde totenblaß und suchte eilends seine Kabine auf. Sour Billy gab sich Mühe, nicht zu grinsen.
    »Wo ist Mister Jeffers?« fragte Albright, der drahtige kleine Lotse.
    »Der ist in seiner Kabine«, sagte Billy schnell. »Er fühlt sich nicht besonders wohl. Marsh ist bei ihm. Mister Jeffers war ein bißchen gelb um die Nase, schätze, miterleben zu müssen, wie ein Mann stirbt, ist ihm nicht allzugut bekommen.« Seine Worte hatten genau die Wirkung, die er sich vorgestellt und gewünscht hatte, vor allem als Armand sich über den Tisch zu Vincent hinüberlehnte und in lautem Flüsterton - wie Billy es ihm erklärt hatte - sagte: » Der ›Braune John‹ .« Dann standen die beiden auf und ließen ihre halbvollen Teller stehen und entfernten sich.
    »Es ist nicht der ›Braune John‹!« sagte Billy laut. Er mußte es laut sagen, denn plötzlich versuchte jeder am Tisch etwas zu sagen, und die Hälfte der Anwesenden stand bereits auf. »Wir müssen diese Leiche verbrennen, kommt jetzt!« fügte er hinzu, und er und Kurt schlurften weiter in Richtung der breiten Treppe. Joshua York blieb etwas zurück, hatte die Hände erhoben und versuchte hundert ängstliche Fragen abzuwehren. Passagiere wie Mannschaftsmitglieder gingen Kurt und Billy mit ihrer Last eiligst aus dem Weg.
    Zwei heruntergekommen aussehende Fremde, die eine Deckspassage gelöst hatten, waren die einzigen Anwesenden unten auf dem Hauptdeck neben den Schauerleuten, die Kisten und Feuerholz heraufschleppten. Die Öfen waren geschlossen worden, aber es war noch immer Glut darin, und Sour Billy verbrannte sich die Finger, als er und Kurt die in Laken gehüllte Leiche in die nächste Feueröffnung stopften. Er fluchte noch immer und wedelte mit der Hand in der Luft herum, als Joshua York nach unten kam und ihn fand. »Sie steigen aus«, bemerkte York, und sein bleiches Gesicht hatte einen verwirrten Ausdruck. »Fast alle Passagiere sind dabei, ihre Koffer zu packen, und die Hälfte der Mannschaft ist zu mir gekommen und hat mich um den Lohn gebeten. Heizer, Zimmermädchen, Kellner, sogar Jack Ely, der zweite Ingenieur. Das verstehe ich nicht.«
    »Der ›Braune John‹ ist auf Ihrem Dampfer unterwegs flußaufwärts«, sagte Sour Billy Tipton. »Zumindest glauben sie das.«
    Joshua York legte die Stirn in Falten. »Der ›Braune John‹?«
    Sour Billy lächelte. »Das Gelbfieber, Cap’n. Ich sehe schon, daß Sie noch nie in New Orleans waren, wenn der ›Braune John‹ dort seinen Besuch machte. Auf diesem Schiff wird keiner länger bleiben als unbedingt nötig, und niemand

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