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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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immer noch dahinströmen und sich neue Wege graben und Städte überfluten und Ernten vernichten und anderen zu voller Blüte verhelfen und Dampfschiffe in seinem Schlund zermalmen, damit er ein Stück weiter die Splitter ausspucken konnte.
    Abner Marsh zog sich dorthin zurück, wo die Abdeckungen der großen Ruderkästen über das Deck hinausragten. Julian folgte ihm. »Captain!« rief er, und seine Stimme klang verzerrt, aber immer noch einschmeichelnd. Marsh überhörte sie. Er zog sich mit einer Kraft auf einen Radkasten hinauf, die mehr der Dringlichkeit entsprang, einer Kraft, von der er nichts geahnt hatte. Unter seinen Füßen drehte sich das mächtige Seitenrad. Er spürte die Vibrationen durch das Holz, hörte das Wummern der Maschinen. Er zog sich weiter nach hinten zurück und achtete darauf, nicht an der falschen Stelle abzustürzen, wo die Schaufelräder ihn ansaugen und ihn zerschlagen würden. Er schaute nach unten. Das Licht war beinahe vergangen, und das Wasser erschien schwarz, aber dort, wo die Fiebertraum die Fluten durchpflügt hatte, schäumte und brodelte es. Das Leuchten aus den Öfen des Dampfers färbte es rot, so daß es aussah wie kochendes Blut. Abner Marsh blickte hinunter und erstarrte. Noch mehr Blut, dachte er, noch mehr gottverdammtes Blut, ich komme einfach nicht mehr davon los, ich weiß nicht, was ich tun soll. Das Wummern der Dampfmaschinen war wie Donner in seinen Ohren.
    Sour Billy setzte mit einem Sprung auf den Radkasten und kam wachsam auf ihn zu. »Mister Julian will Sie sehen, fetter Mann«, sagte er. »Kommen Sie schon, weiter schaffen Sie es sowieso nicht.« Er holte sein kleines Messer hervor und lächelte. Sour Billy Tipton hatte wirklich ein angsteinflößendes Grinsen.
    »Das ist kein Blut«, sagte Marsh laut, »das ist nur der verdammte Fluß.« Immer noch seinen Stock umklammernd, holte er tief Luft und stürzte sich von dem Dampfer. Sour Billys Flüche klangen ihm in den Ohren, als er auf dem Wasser aufschlug.

KAPITEL ZWANZIG
 
An Bord des Raddampfers Fiebertraum Mississippi River, August 1857
     
     
    R aymond und Armand stützten Damon Julian zwischen sich, als Sour Billy vom Radkasten heruntersprang. Julian sah aus wie ein angestochenes Schwein; seine Kleider waren blutdurchtränkt. »Du hast ihn entkommen lassen, Billy«, sagte er kalt. Der Klang seiner Stimme machte Sour Billy nervös.
    »Mit ihm ist es aus«, beteuerte Billy. »Die Schaufeln saugen ihn an und zerschmettern ihn, oder er ertrinkt. Sie hätten sehen sollen, mit welcher Wucht er auf dem Wasser aufschlug, mit seinem fetten Bauch zuerst. Jetzt wird er sich seine Warzen nicht mehr im Spiegel ansehen können.« Während er redete, schaute Sour Billy sich um, und ihm gefiel nicht, was er sah, überhaupt nicht; Julian über und über mit Blut besudelt, eine feuchtglänzende rote Spur über das Sturmdeck und die Stufen zum Texasdeck hinter sich herziehend, und dieser Dandy von einem Zahlmeister am Ende der Texasveranda über dem Geländer hängend, während ihm immer mehr Blut aus dem Mund sickerte.
    »Wenn du versagt hast, Billy, dann wirst du niemals so werden wie wir«, versprach Julian. »Ich hoffe um deinetwillen, daß er tot ist. Verstehst du?«
    »Ja«, sagte Billy. »Mister Julian, was ist denn geschehen?«
    »Sie haben mich angegriffen, Billy. Sie haben uns angegriffen. Laut dem guten Kapitän haben sie Jean getötet. Haben seinen gottverdammten Schädel zu Brei geschlagen, so drückten sie es aus, glaube ich.« Er lächelte. »Marsh und dieser Jämmerling von einem Zahlmeister und jemand namens Mike waren daran beteiligt.«
    »Hairy Mike Dunne«, sagte Raymond Ortega. »Er ist der Maat der Fiebertraum , Damon. Groß, dumm und ungehobelt. Es ist seine Aufgabe, die Schwarzen anzubrüllen und zu verprügeln.«
    »Aha«, sagte Julian. »Laßt mich los!« sagte er dann zu Raymond und Armand. »Ich fühle mich jetzt kräftiger. Ich kann allein stehen.«
    Die Dämmerung war tiefer geworden. Sie standen im Dunkeln. »Damon«, warnte Vincent, »nach dem Abendessen wechselt die Wache. Männer aus der Mannschaft suchen ihre Kabinen auf. Wir müssen etwas tun. Wir sollten schnellstens vom Dampfer verschwinden, ehe sie uns entdecken.« Er schaute auf das Blut, auf die Leiche.
    »Nein«, entschied Julian, »Billy wird aufräumen und saubermachen. Das tust du doch, oder nicht, Billy?« »Ja«, sagte Sour Billy, »ich werfe den Zahlmeister einfach hinter seinem Cap’n her.«
    »Dann tu das, Billy,

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