Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
Vom Netzwerk:
frischen Nachschub sorgen könnte. Ich hatte nicht erwartet, daß Valerie uns begleitet.« Seine Hand zitterte. Er seufzte, setzte die Flasche selbst an den Mund und nahm einen tiefen Schluck.
    »Es tut so weh«, wimmerte Valerie. Sie rollte sich friedlich zusammen, ihr ganzer Körper erbebte, aber der Anfall war abgeklungen.
    Joshua York gab Marsh die Flasche zurück. »Nehmen Sie sie, Abner«, sagte er. »Sie muß reichen. Wir müssen sie rationieren.«
    Toby Lanyard hatte zu rudern aufgehört und beobachtete sie gebannt. Karl Framm regte sich schwach auf dem Boden der Jolle. Das Boot trieb mit der Strömung, und in Fahrtrichtung gewahrte Marsh den Qualm eines stromauf dampfenden Schiffs. Er griff nach einem Ruder. »Bring uns zum Ufer, Toby!« befahl er. »Beeil dich! Ich werde das Schiff anhalten. Wir brauchen dringend eine Kabine.«
    »Yessuh, Cap’n«, sagte Toby.
    Joshua faßte sich an die Stirn und zuckte zusammen. »Nein«, sagte er leise. »Nein, Abner, das ist unmöglich. Zu viele Fragen.« Er versuchte aufzustehen und schwankte benommen, sank zurück auf die Knie. »Es brennt so furchtbar«, sagte er. »Nein. Hören Sie. Nicht das Schiff, Abner. Rudern Sie weiter. Eine Stadt, wir erreichen irgendwann eine Stadt. Bei Anbruch der Dunkelheit . . . Abner?«
    »Verdammt noch mal«, knurrte Abner Marsh, »Sie sind jetzt seit vielleicht vier Stunden draußen, und sehen Sie sich an. Vor allem sie. Und dabei haben wir noch nicht einmal Mittag. Sie beide werden in Kürze völlig verbrannt sein, wenn es uns nicht gelingt, Sie irgendwie ins Dunkle zu schaffen.«
    »Nein«, sagte York, »man wird Fragen stellen, Abner. Sie können einfach nicht . . . «
    »Halten Sie endlich den verdammten Mund«, sagte Marsh und stemmte sich wieder gegen sein Ruder. Die Jolle kreuzte über den Fluß. Der Dampfer näherte sich ihnen, Wimpel flatterten im Wind, eine Handvoll Passagiere spazierte auf der Promenade umher. Es war ein Paketschiff aus New Orleans, wie Marsh beim Näherkommen erkennen konnte, ein mittelgroßer Seitenraddampfer namens H. E. Edwards . Er winkte mit dem Ruder und rief das Schiff über das Wasser an, während Toby ruderte und die Jolle wild schaukelte. Auf den Decks des Dampfschiffes winkten die Passagiere zurück und deuten auf sie. Es gab einen kurzen ungeduldigen Pfiff ab, und Abner Marsh reckte den Kopf und sah ein anderes Schiff, weiter flußabwärts, bisher nur ein weißer Punkt in der Ferne. Seine Hoffnungen sanken. Sie trugen ein Rennen aus, wie er erkannte, und es gab keinen Dampfer auf der ganzen Welt, der in einem solchen Augenblick anhalten würde, nur weil jemand in einem winzigen Boot um Hilfe bat.
    Die H. E. Edwards stürmte mit Höchstgeschwindigkeit an ihnen vorbei, wobei ihre Schaufelräder derart heftig das Wasser peitschten, daß sie in der Kiellinie wild auf und nieder hüpften, als befänden sie sich inmitten von Stromschnellen. Abner Marsh fluchte, rief ihr Verwünschungen hinterher und schüttelte drohend das Ruder. Das zweite Schiff näherte sich und rauschte sogar noch schneller an ihnen vorbei und hinterließ ihnen einen dichten Funkenregen aus seinen Schornsteinen. Sie blieben mitten auf dem Fluß zurück, mit leeren Feldern, wohin sie schauten, der Sonne über ihnen und einem Berg glimmender Bagasse flußabwärts, über dem eine Säule grauen Qualms aufstieg. »Landen«, sagte Marsh zu Toby, und sie hielten auf das westliche Ufer zu. Als sie auf Grund liefen, sprang er aus dem Boot und zog es hinter sich weiter hinauf aufs Trockene, wobei er durch knietiefen Schlamm watete. Selbst an dem verdammten Ufer, dachte er, als er sich umsah, gibt es keinen Schatten, keine Bäume, um sich vor der gnadenlosen Sonne zu verstecken. »Los, steig schon aus!« befahl Marsh Toby Lanyard. »Wir müssen sie nach oben aufs Ufer schaffen. Dann ziehen wir das gottverdammte Boot aus dem Wasser, drehen es um und legen sie darunter.« Toby nickte. Sie schafften Framm zuerst an Land, dann Valerie. Als Marsh sie unter den Armen faßte und sie hochhob, erschauerte sie heftig. Ihr Gesicht sah derart schlimm aus, daß er Angst hatte, es zu berühren, damit es nicht unter seinen Händen zerfiel.
    Als sie zurückkehrten, um auch Joshua zu holen, war dieser bereits aus dem Boot geklettert. »Ich helfe euch«, sagte er. »Es ist sehr schwer.« Er stemmte sich gegen die Seitenwand der Jolle.
    Marsh gab Toby durch Kopfnicken ein Zeichen, und zu dritt schoben sie das Boot ganz aus dem Fluß. Es war schwere

Weitere Kostenlose Bücher