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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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ist wahnsinnig, wissen Sie«, sagte er. »Es stimmt. Er benutzte mich, Nacht für Nacht. Der bleiche König, ja, das dachte ich, ich dachte, ich wäre es . . . Aber Julian überwältigte mich, Mal für Mal, und ich gab mich geschlagen. Seine Augen, Abner, Sie haben seine Augen gesehen. Finsternis, eine furchtbare Finsternis. Und so alt. Ich dachte, er ist das Böse schlechthin, und er ist stark und so schlau. Aber ich stellte fest, daß es nicht so war. Julian ist nicht . . . Abner, er ist wahnsinnig, wirklich und wahrhaftig. Früher einmal muß er alles das gewesen sein, was ich von ihm annahm, aber jetzt . . . Es ist so, als ob er schlafe. Manchmal erwacht er, kurz nur, und man kann spüren, was er einmal dargestellt hat, wie er war. Sie haben es gesehen, Abner, an jenem Abend während des Essens, da sahen Sie Julian unverschleiert, wach. Aber die meiste Zeit . . . Abner, das Schiff interessiert ihn gar nicht, ebensowenig der Fluß, die Menschen und die Ereignisse in seiner Umgebung. Sour Billy führt die Fiebertraum , entwickelt die Pläne und Intrigen, die meinem Volk Sicherheit garantieren. Julian gibt nur selten Befehle, und wenn er es tut, dann sind sie widersprüchlich, manchmal sogar dumm. Er liest nicht, er pflegt nicht das Gespräch, er spielt kein Schach. Er ißt gleichgültig. Ich glaube nicht einmal, daß er überhaupt schmeckt, was er zu sich nimmt. Seit er die Fiebertraum in Besitz genommen hat, ist Julian in irgendeinen düsteren Traum eingetaucht. Er verbringt die meiste Zeit in seiner Kabine, in totaler Dunkelheit, allein. Es war Billy, der den Dampfer bemerkte, der uns folgte, nicht Julian.
    Zuerst dachte ich, er sei böse, er sei ein dunkler König, der sein Volk in den Untergang führt, aber dann beobachtete ich ihn . . . Er ist bereits ruiniert, er ist hohl, leer. Er labt sich am Leben der Angehörigen Ihres Volks, weil er selbst kein eigenes Leben, nicht einmal einen Namen hat, der wahrlich ihm gehört. Früher habe ich mich gefragt, woran er wohl dachte, allein, während aller Tage und Nächte in völliger Dunkelheit. Ich weiß jetzt, daß er überhaupt nicht denkt. Vielleicht träumt er. Wenn ja, dann, so denke ich, träumt er vom Tod, von einem Ende. Er haust in jener schwarzen leeren Kabine, als befände er sich in einem Grab, das er nur verläßt, wenn er Blut wittert. Und die Dinge die er tut . . . Das ist mehr als Tollkühnheit. Er spielt mit der Vernichtung, mit dem Entdecktwerden. Er muß sich ein Ende, eine Zeit der Ruhe wünschen, denke ich. Er ist so alt. Er muß schrecklich müde sein.«
    »Er hat mir ein Geschäft vorgeschlagen«, sagte Abner Marsh. Ohne seinen anstrengenden Ruderrhythmus zu unterbrechen, rekapitulierte Marsh seine Unterhaltung mit Damon Julian.
    »Sie haben nur die halbe Wahrheit erkannt, Abner«, sagte Joshua, als er geendet hatte. »Ja, er hätte Sie am liebsten auch verdorben, um meiner zu spotten. Aber das war nicht alles. Sie hätten ja auch einschlagen können, ohne es wirklich ernst zu meinen. Sie hätten ihn belügen und auf eine Gelegenheit warten können, um ihn zu töten. Ich glaube, Julian wußte das. Indem er Sie an Bord holte, spielte er mit seinem eigenen Tod.«
    Marsh schnaubte. »Wenn er wirklich sterben wollte, dann könnte er uns etwas mehr entgegenkommen.«
    Joshua schlug die Augen auf. Sie waren klein und verhangen. »Wenn die Gefahr echt und akut ist, das weckt ihn auf. Die Bestie in ihm, das Tier . . . das Tier ist alt und ohne Bewußtsein und müde, aber wenn es erwacht, dann ringt es mit aller Macht, um das zu haben . . . es ist stark, Abner. Und alt.« Joshua lachte matt, es war ein bitteres, freudloses Lachen. »Nach jenem Abend . . . nachdem alles so unglücklich weiterging . . . da fragte ich mich immer wieder, wie es hatte passieren können. Julian hatte ein ganzes Glas von meinem - meinem Elixier getrunken . . . es war eigentlich genug gewesen, es hätte den roten Durst betäuben müssen, es hätte wirken müssen, aber nicht bei Julian, nein . . . nicht bei ihm. Zuerst nahm ich an, daß es an seiner Kraft gelegen hatte, an seiner Macht, an dem Bösen in ihm. Dann . . . später, eines Abends, las er die Frage in meinen Augen, und er lachte und verriet es mir. Abner, Sie erinnern sich gewiß . . . als ich Ihnen meine Geschichte erzählte . . . daß mich damals, als ich noch sehr jung war, der rote Durst nicht quälen konnte. Wissen Sie noch?«
    »Ja.«
    Joshua nickte schwach. Die Haut spannte sich straff über sein Gesicht,

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