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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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Arbeit. Abner Marsh setzte seine ganze Kraft ein. Der Schlamm des Uferstreifens griff nach ihm mit nassen klebrigen Fingern. Ohne Joshua hätten sie es wahrscheinlich niemals geschafft. Aber schließlich schleiften sie es über die Uferzone hinweg ins Feld, und das Umdrehen war wieder einfach. Marsh faßte Valerie unter den Armen und schleppte sie zum Boot. »Sie müssen auch darunterkriechen, Joshua«, sagte er, während er sich umdrehte. Toby kümmerte sich um Karl Framm und versuchte dem Lotsen eine Handvoll Flußwasser zwischen den bleichen Lippen einzuflößen. Joshua war nirgendwo zu sehen. Marsh machte eine finstere Miene und ging um die Jolle herum. Seine Hose, triefnaß und mit Schlamm verschmiert, klebte ihm an den Beinen. »Joshua«, brüllte er, »wo zum Teufel haben Sie sich versteckt . . . «
    Joshua York war am Flußufer zusammengebrochen, und seine verbrannte rote Hand grub sich in den Schlamm. »Verdammt noch mal!« brüllte Marsh. »Toby!«
    Toby kam herübergerannt, und gemeinsam zogen sie York in den Schatten. Seine Augen waren geschlossen. Marsh holte die Flasche hervor und trichterte ihm einige Tropfen der Flüssigkeit ein. »Trinken Sie, Joshua, trinken Sie! Verdammt, machen Sie schon!« schließlich trank York und hörte erst auf, als die Flasche leer war. Abner Marsh hielt sie in der Hand und betrachtete sie stirnrunzelnd. Er drehte sie um. Der letzte Tropfen von Joshua Yorks speziellem Elixier sickerte heraus und fiel auf Marshs schlammbeschmierten Stiefel. »Verflucht!« knurrte er und schleuderte die leere Flasche in den Fluß. »Bleib bei ihnen, Toby«, bat er, »ich hole Hilfe. Irgend jemand muß doch hier aufzutreiben sein.«
    »Yessuh, Cap’n Marsh«, meinte Toby.
    Marsh überquerte das Feld. Das Zuckerrohr war abgeerntet worden. Die Äcker waren weit und leer, aber über einer kleinen Anhöhe in der Ferne gewahrte Marsh eine dünne Rauchfahne. Er ging darauf zu und hoffte, daß es ein Haus war und nicht schon wieder einer dieser verdammten Bagassehaufen. Er hofft vergeblich, aber nachdem das Feuer einige Minuten hinter ihm lag, sah er eine Gruppe Sklaven, die auf dem Feld arbeitete, und er machte sich durch laute Rufe bemerkbar und rannte auf sie zu.
    Sie brachten ihn zum Plantagenhaus, wo er dem Aufseher seine traurige Geschichte von der Kesselexplosion erzählte, durch die sein Dampfschiff gesunken und jedermann an Bord ums Leben gekommen war, bis auf ein paar Leute, die es geschafft hatten, sich in die Lot-Jolle zu retten. Der Mann nickte und holte den Plantagenbesitzer. »Ich hab’ zwei Leute bei mir, die ziemlich schlimme Verbrennungen abbekommen haben«, erzählte Marsh ihm. »Wir müssen sie schnellstens behandeln.« Zwei Minuten später spannten sie zwei Pferde vor einen Wagen und fuhren über die Felder.
    Als sie am umgedrehten Boot ankamen, stand Karl Framm daneben, benommen und schwach. Abner Marsh sprang vom Wagen und gab seinen Begleitern aufgeregte Zeichen. »Beeilt euch«, sagte er zu den Männern, »wir haben die Verbrannten unter das Boot gelegt. Wir müssen sie schnellstens ins Haus bringen.« Er wandte sich an Framm. »Geht es Ihnen jetzt besser, Mister Framm?«
    Framm grinste schwach. »Mir ging es schon besser, Cap’n«, antwortete er, »aber ich war auch schon viel schlimmer dran.«
    Zwei Männer trugen Joshua York zum Wagen. Sein weißer Anzug war mit Schlamm und Wein besudelt, und er rührte sich nicht. Der dritte Mann, der jüngste Sohn des Plantagenbesitzers, kam unter dem Boot hervorgekrochen und wischte sich die Hände an seiner Hose ab. Er schüttelte den Kopf und wirkte etwas blaß um die Nase. »Cap’n Marsh«, sagte er, »die Frau, die noch darunter liegt, die ist so sehr verbrannt, daß sie schon gestorben ist.«

KAPITEL NEUNUNDZWANZIG
 
Auf der Gray-Plantage,
Louisiana Oktober 1857
     
     
    Z wei Haussklaven hoben Joshua York vom Wagen und trugen ihn ins Haus, die breite geschwungene Treppe hinauf in ein Schlafzimmer. »Aber in einen dunklen Raum!« rief Abner Marsh zu ihnen hinauf. »Und zieht verdammt noch mal die Vorhänge zu, verstanden? Ich will dort nicht den kleinsten Sonnenstrahl sehen!« Er wandte sich zu seinen Gefährten um, während der Plantagenbesitzer, seine Söhne und zwei weitere Sklaven wieder hinausgingen, um sich um Valeries Leiche zu kümmern. Framm hatte einen Arm um Tobys Schultern gelegt, um sich auf den Beinen zu halten. »Sehen Sie zu, daß Sie endlich was Anständiges in den Magen bekommen, Mister Framm«, riet

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