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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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eide taten genau das, was sie sich vorgenommen hatten: Abner Marsh setzte seine Suche fort, aber er fand sein Schiff nicht.
    Sie verließen Aaron Grays Plantage, sobald Karl Framm kräftig genug war, um weiterzuziehen, und mehrere Tage nach Joshua Yorks Verschwinden. Marsh war froh, von dort wegzukommen. Gray und seine Leute waren mittlerweile mächtig mißtrauisch geworden und wollten wissen, warum nichts von einer Dampfschiffexplosion in den Zeitungen stand und warum kein Nachbar etwas gehört hatte und warum Joshua sich aus dem Staub gemacht hatte. Und Marsh verfing sich nach und nach im Netz seiner eigenen Lügen. Als er und Toby und Karl Framm flußaufwärts zogen, war die Fiebertraum verschwunden, wie er es auch erwartet hatte. Marsh kehrte nach St. Louis zurück.
    Während des langen schweren Winters suchte Marsh ständig weiter. Er schrieb noch mehr Briefe, trieb sich in den Bars und den Billardsälen am Fluß herum, er engagierte weitere Detektive, er las zahllose Zeitungen, er fand Yoerger und Grove und den Rest der Mannschaft der Eli Reynolds und schickte sie als Kabinenpassagiere auf dem Fluß hinauf und hinunter, damit sie sich umsahen. Alle Bemühungen erbrachten nichts. Niemand hatte die Fiebertraum gesehen. Niemand hatte aber auch etwas von der Ozymandias gehört. Abner Marsh gelangte zu der Überzeugung, daß sie ihren Namen schon wieder geändert hatten. Er las jedes gottverdammte Gedicht, das Byron und Shelley je schrieben hatten, aber diesmal ohne irgendein Ergebnis. Es wurde so schlimm, daß er die verdammten Gedichte am Ende auswendig hersagen konnte, und er beschäftigte sich sogar mit anderen Dichtern, aber er fand nichts anderes als einen ziemlich ramponiert aussehenden Heckraddampfer vom Missouri namens Hiawatha .
    Marsh erhielt einen Bericht von seinen Detektiven, doch der verriet ihm nicht mehr, als er längst wußte. Der Seitenraddampfer Ozymandias hatte Natchez an jenem Oktoberabend mit etwa vierhundert Tonnen Fracht, vierzig Kabinenpassagieren und etwa doppelt so vielen Decksfahrgästen verlassen. Die Fracht war nie ausgeliefert worden. Weder der Dampfer noch die Passagiere wurden jemals wiedergesehen, außer an einigen Holzplätzen am Strom unterhalb von Natchez. Abner Marsh las diesen Brief stirnrunzelnd mindestens ein halbes dutzendmal. Die Zahlen waren viel zu niedrig, was bedeutete, das Sour Billy überaus schlechte Arbeit leistete - es sei denn, er tat es ganz bewußt, damit Julian und sein Nachtvolk nicht zuviel Hektik und Unruhe erlebten. Hundertzwanzig Menschen waren weg, verschwunden. Das trieb Marsh den kalten Schweiß aus den Poren. Er starrte auf den Brief und erinnerte sich, was Damon Julian zu ihm gesagt hatte: Niemand auf dem Fluß wird jemals Ihre Fiebertraum vergessen.
    Monatelang wurde Abner Marsh von furchtbaren Alpträumen von einem Schiff gepeinigt, das den Fluß hinunterfuhr, total schwarz, jede Lampe und jede Kerze gelöscht, mit großen schwarzen Planen rund um das Hauptdeck, damit nicht einmal das rötliche Licht aus den Ofenlöchern nach draußen drang, ein Schiff, so dunkel wie der Tod und so schwarz wie die Sünde, ein Schatten, der durch Mondschein und Nebel glitt, kaum zu erkennen, still und schnell. In seinen Träumen gab sie während ihrer Fahrt keinen Laut von sich, und weiße Gestalten huschten lautlos über die Decks und bevölkerten den großen Salon, und in ihren Kabinen hockten angsterfüllt die Passagiere, bis sich die Türen eines Nachts öffneten und sie zu schreien begannen. Ein- oder zweimal wachte Marsh selbst schreiend auf, und selbst in seinen Wachstunden konnte er es nicht vergessen, sein Traumschiff, eingehüllt in Schatten und Schreie, mit Qualm, so schwarz wie Julians Augen, und Dampf in der Farbe von Blut.
    Als das Eis auf dem Oberlauf des Flusses allmählich brach, stand Abner Marsh vor einer schweren Entscheidung. Er hatte die Fiebertraum nicht gefunden, und die Suche hatte ihn an den Rand des Ruins getrieben. Seine Hauptbücher erzählten eine traurige Geschichte; seine Auftragsbücher waren nahezu leer. Er besaß eine Dampfschiffahrtsgesellschaft ohne ein einziges Dampfschiff, und ihm fehlten sogar die Mittel, um wenigstens eins von mittlerer Größe bauen zu lassen. Daher setzte Marsh sich widerstrebend mit seinen Agenten und Detektiven in Verbindung und blies die Suche ab.
    Mit dem wenigen Geld, das ihm noch geblieben war, zog er flußabwärts dorthin, wo die Eli Reynolds noch immer in der Flußschlinge saß, in der sie sich

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