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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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Schiffe waren immer etwas schwieriger zu lenken. Das störte ihn jedoch nicht. Kein Lotse, der sich nicht bestens auskannte, würde auch nur in die Nähe des Ruders der Fiebertraum gelangen.
    »Wie kommen wir vorwärts?« wollte Marsh wissen.
    »Recht zügig«, antwortete der Pilot achselzuckend. »Sie würde mehr schaffen, aber Mister Daly sagte, Sie hätten es nicht eilig, daher lassen wir es gemütlich angehen.«
    »Wenn wir nach Paducah kommen, dann legen Sie dort an«, befahl Marsh. »Ich muß zwei Passagiere absetzen und Fracht ausladen.« Er blieb noch ein paar Minuten und schwatzte mit dem Lotsen, dann ging er wieder hinunter zum Kesseldeck.
    In der Hauptkabine war bereits für das Mittagessen die Tafel gedeckt worden. Das helle Sonnenlicht strömte in farbigen Kaskaden durch die Oberlichter herein, und darunter erstreckte sich eine Tischreihe über die gesamte Länge der Kabine. Die Kellner verteilten soeben das Besteck und das Geschirr; Kristallgläser funkelten im Licht. Aus der Küche drangen Marsh die verführerischsten und appetitlichsten Gerüche in die Nase, die ihm das Wasser im Munde zusammenlaufen ließen. Er blieb stehen, suchte sich eine Speisekarte, warf einen Blick darauf und entschied, daß er immer noch Hunger hatte. Überdies war York noch nicht aufgestanden, und es war nur angemessen, daß einer der Kapitäne mit den Kabinenpassagieren und den anderen Offizieren gemeinsam das Essen einnahm.
    Das Mahl war für Marshs Geschmack exzellent. Er vertilgte eine Portion Lammschulter in Petersiliensauce, eine zarte Taube, eine Menge frischer Kartoffeln und grünen Mais und Karotten und zwei Stücke von Tobys berühmtem Nußkuchen. Nach dem Essen fühlte er sich mit der Welt im Einklang. Er gestattete sogar dem Prediger, einen kurzen Vortrag darüber zu halten, wie wichtig es war, die Indianer zum Christentum zu bekehren, obgleich er normalerweise nicht viel davon hielt, wenn auf seinen Schiffen mit der Bibel hantiert wurde. Irgendwie mußte er die Reisenden ja zerstreuen und bei guter Laune halten, dachte Marsh, und selbst das großartigste Panorama wird nach einiger Zeit langweilig.
    Am frühen Nachmittag lief die Fiebertraum in Paducah ein, einem Ort, der am Kentuckyufer des Flusses lag, dort wo der Tennessee sich in den Ohio ergießt. Es war der dritte Zwischenstop während ihrer Fahrt, allerdings der erste längere. Sie hatten in der Nacht kurz bei Rossborough angelegt, um drei Passagiere aussteigen zu lassen, und sie hatten in Evansville Holz und eine kleinere Menge Fracht geladen, während Marsh geschlafen hatte. Aber in Paducah mußten sie zwölf Tonnen Stabeisen sowie Mehl und Zucker und Bücher abladen, und außerdem warteten um die vierzig oder fünfzig Tonnen Holz darauf, mitgenommen zu werden. Paducah war eine große Holzfällerstadt, bei der ständig Holzflöße den Tennessee herunterkamen, den Fluß versperrten und die Raddampfer behinderten. Wie die meisten Dampfschiffer hatte Marsh für die Flößer nicht viel übrig. Meistens setzten sie während der Nacht keine Positionslaternen, und oft genug wurden sie von einem unseligen Dampfboot überfahren, woraufhin die Flößer frech genug waren, sich lautstark zu beschweren, zu fluchen, zu brüllen und irgendwelche Gegenstände auf die Schiffe zu schleudern.
    Glücklicherweise waren keine Flöße zu sehen, als die Fiebertraum in Paducah einlief und festmachte. Marsh warf einen kurzen Blick auf die Ladung, die am Flußufer aufgebaut war - dazu gehörten einige hohe Kistenstapel und eine Anzahl Tabaksballen - und entschied, daß es keine Schwierigkeiten machte, zusätzliche Fracht auf dem Hauptdeck unterzubringen. Es wäre eine Schande, dachte er bei sich, von Paducah loszufahren und dieses Transportgeschäft einem anderen Boot zu überlassen.
    Die Fiebertraum lag bereits am Kai vertäut, und Schwärme von Schauerleuten schoben Planken vom Land herüber und begannen mit dem Ausladen. Hairy Mike ging zwischen ihnen umher und brüllte ihnen zu: »Beeilt euch, ihr seid keine Kabinenpassagiere bei einem Landausflug«, und: »Wenn du deine Last fallen läßt, Freundchen, dann lasse ich diese Eisenstange auf deinem Kopf landen« und andere Drohungen. Die Landungsbrücke krachte mit lautem Dröhnen herunter, und ein paar Passagiere, die nur bis Paducah bezahlt hatten, verließen das Schiff.
    Marsh hatte eine Entscheidung gefaßt. Er ging zum Büro des Zahlmeisters, wo er Jonathon Jeffers antraf, der gerade die Lade-listen kontrollierte und auf

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