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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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konnte. Marsh hatte Totengräber noch nie gemocht, und Simon erinnerte ihn an etwas Scheußliches, wenn er ihm mal nicht so erschien wie Gevatter Tod persönlich. Er konnte nur hoffen, daß Simon keine Moskitoreste aufleckte, während er den Kabinenpassagieren Drinks servierte. So etwas konnte den Ruf eines Schiffs verdammt schnell ruinieren.
    Marsh verdrängte diesen Vorfall schnell aus seinem Bewußtsein und stürzte sich wieder in die Arbeit. Am Abend vor ihrer geplanten Abfahrt beunruhigte ihn jedoch noch etwas anderes. Er hatte Joshua York in seiner Kabine aufgesucht, um noch einige Einzelheiten ihrer bevorstehenden Reise zu besprechen. York saß an seinem Schreibtisch, hatte sein schlankes Messer mit dem Elfenbeingriff in der Hand und war gerade damit beschäftigt, einen Artikel aus einer Zeitung herauszuschneiden. Er und Marsh unterhielten sich ein paar Minuten lang über anstehende geschäftliche Angelegenheiten, und Marsh wollte sich schon wieder verabschieden, als sein Blick auf eine Ausgabe des Democrat auf Yorks Schreibtisch fiel. »Heute sollte eigentlich eine Anzeige von uns drinstehen«, sagte Marsh und griff nach der Zeitung. »Haben Sie die schon durchgelesen, Joshua?«
    York bedeutete ihm mit einer Geste, die Zeitung ruhig mitzunehmen. »Ich brauche sie nicht mehr«, meinte er.
    Abner Marsh klemmte sich die Zeitung unter den Arm, ging damit in die Hauptkabine und blätterte sie durch, während Simon ihm einen Drink servierte. Er ärgerte sich. Er konnte die Anzeige nicht finden. Allerdings konnte es durchaus sein, daß sie dringestanden hatte; York hatte eine Meldung aus der Seite ausgeschnitten, auf deren Rückseite die Transportangebote abgedruckt waren, und mitten in der Seite klaffte nun ein Loch. Marsh leerte sein Glas, faltete die Zeitung zusammen und ging nach vorn zum Zahlmeisterbüro. »Haben Sie die letzte Ausgabe des Democrat ?« fragte Marsh Jonathon Jeffers. »Ich glaube, dieser verdammte Blair hat meine Annonce vergessen.«
    »Sie liegt dort drüben«, antwortete Jeffers, »aber vergessen hat er sie nicht. Sehen Sie mal bei den Transportangeboten nach.« Und da war sie tatsächlich, ein Kasten mitten in einer Spalte ähnlicher Kästen:
     
    FEVRE RIVER PACKET COMPANY
    Der äußerst schnelle Raddampfer Fiebertraum beginnt seine Fahrt nach New Orleans, Louisiana, über alle Zwischenstops und Anlegestellen am Donnerstag in Rekordzeit und geführt von erfahrenen Offizieren und einer gut ausgebildeten Mannschaft. Anfragen wegen Frachtraten oder Passagekosten können an das Zahlmeisterbüro an Bord des Schiffes selbst oder an die Büros der Gesellschaft am Ende der Pine Street gerichtet werden.
    - Abner Marsh, Präsident
     
    Marsh betrachtete die Annonce, nickte und blätterte zurück, um nachzusehen, was Joshua York ausgeschnitten hatte. Der Artikel war eine nachgedruckte Meldung aus der Lokalzeitung eines Ortes weiter flußabwärts. Sie handelte von einem alten Holzplatzverwalter, den man in seiner Hütte am Fluß nördlich von New Madrid aufgefunden hatte. Der Maat eines Dampfers, der angelegt hatte, um frisches Holz aufzunehmen, hatte ihn gefunden, als niemand zur Anlegestelle kam. Einige nahmen an, daß es das Werk von Indianern war, andere sprachen von Wölfen, da die Leiche zerfetzt und halb aufgefressen war. Mehr stand in der Meldung nicht.
    »Stimmt etwas nicht, Cap’n Marsh?« fragte Jeffers. »Sie haben so einen seltsamen Gesichtsausdruck.«
    Marsh faltete Jeffers Democrat zusammen und klemmte sich das Blatt mitsamt Yorks Exemplar unter den Arm. »Nein, es ist nichts, die Zeitung hat lediglich zwei Worte falsch geschrieben.«
    Jeffers grinste. »Sind Sie sicher? Ich weiß doch, daß Rechtschreibung nicht gerade eine Ihrer Stärken ist, Cap’n.«
    »Machen Sie sich nicht schon wieder über mich lustig, oder ich schmeiße Sie in den Fluß, Mister Jeffers«, warnte Marsh. »Ich werde Ihre Zeitung mitnehmen, wenn Sie nichts dagegen haben.«
    »Tun Sie, was Sie nicht lassen können«, sagte Jeffers. »Ich hab’ sie sowieso schon gelesen.«
    An der Bar überflog Marsh die Geschichte von dem Mann vom Holzplatz noch einmal. Warum schnitt Joshua York eine Meldung über einen armen Teufel, der von Wölfen gerissen worden war, aus der Zeitung? Marsh wußte keine Antwort darauf, aber es beunruhigte ihn. Er blickte auf und sah in dem großen Spiegel über der Bar, daß Simon ihn beobachtete. Marsh faltete den Democrat hastig zusammen und steckte ihn in eine Tasche. »Geben Sie mir

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