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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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und es kam ihm so vor, als stiege ihr Dampf höher als der der anderen Schiffe und als hätte ihre Dampfpfeife einen klareren, süßeren Klang und als wären ihre Farben viel strahlender und ihre Schaufelräder viel größer und stärker, und sie war insgesamt höher als alle anderen Dampfer bis auf drei oder vier, und sie war länger als alle, die im Hafen lagen. »Wir schlagen sie alle«, murmelte er leise, und er stieg hinunter in den Schoß seiner Herzdame.

KAPITEL ACHT
 
An Bord des Raddampfers Fiebertraum Mississippi River, Juli 1857
     
     
    A bner Marsh schnitt eine Ecke Cheddar aus dem Käserad auf dem Tisch, setzte es sorgfältig auf den Rest seines Apfelkuchen und schob sich beides mit einer schnellen Bewegung seiner großen roten Hand in den Mund. Er rülpste, wischte sich den Mund mit der Serviette ab, schüttelte sich ein paar Krümel aus dem Bart und lehnte sich mit einem zufriedenen Lächeln zurück.
    »Ist der Kuchen gut?« fragte Joshua York und lächelte Marsh über den Rand seines Brandyglases hinweg an.
    »Toby backt keinen schlechten Kuchen«, erwiderte Marsh. »Sie hätten ein Stück kosten sollen.« Er schob seinen Stuhl zurück und stand auf. »Na los, trinken Sie aus, Joshua. Es ist soweit.«
    »Es ist soweit?«
    »Sie wollen doch den Fluß kennenlernen, oder nicht? Wenn Sie die ganze Zeit am Tisch sitzen, wird daraus nichts, soviel kann ich Ihnen schon jetzt versichern.«
    York leerte sein Glas, und sie stiegen gemeinsam zum Ruderhaus hinauf. Karl Framm hatte Dienst. Er räkelte sich auf der Couch, Rauch kräuselte aus seiner Pfeife, während sein Lehrling - ein hochgewachsener Junge mit langen blonden Haaren, die ihm bis in den Kragen hingen - am Ruderrad stand. »Cap’n Marsh«, begrüßte Framm seine Besucher und nickte. »Und Sie müssen dieser geheimnisvolle Cap’n York sein. Erfreut, Sie kennenzulernen. War bisher noch nie auf einem Raddampfer mit zwei Kapitänen.« Er grinste breit und entblößte dabei einen blitzenden Goldzahn. »Dieses Boot hat fast so viele Kapitäne wie ich Ehefrauen. Natürlich leuchtet das ein. Nun, dieses Schiff hat mehr Kessel und mehr Spiegel und mehr Silber als jedes andere, das ich je gesehen habe, deshalb muß es wohl auch mehr Kapitäne haben, denke ich mir.« Der hagere Lotse lehnte sich vor und klopfte etwas Asche aus seiner Pfeife in die Öffnung eines großen Eisenofens. Er war kalt und dunkel, da die Nacht heiß und schwül war. »Was kann ich für Sie tun, Gentlemen?« fragte Framm.
    »Erklären Sie uns den Fluß«, sagte Marsh.
    Framms Augenbrauen gingen in die Höhe. »Ich soll Ihnen den Fluß erläutern? Ich hab’ schon einen Lehrling. Stimmt’s nicht, Jody?«
    »Sicher doch, Mister Framm.«
    Framm lächelte und zuckte die Achseln. »Wissen Sie, ich lerne Jody an, und es ist alles längst abgemacht, ich bekomme sechshundert Dollar von seinem ersten Lohn, nachdem er die Lizenz bekommen hat und in die Gemeinschaft aufgenommen wurde. Ich mache es nur deshalb so billig, weil ich seine Familie kenne. Ich kann aber nicht behaupten, daß ich Ihre Familien kenne, das kann ich ganz und gar nicht behaupten.«
    Joshua York öffnete die Knöpfe seiner dunkelgrauen Weste. Er trug darunter einen Geldgürtel. Er holte eine Zwanzig-Dollar-Münze hervor und legte sie auf den Ofen, wo das Gold auf der schwarzen Unterlage des Ofens leuchtete. »Zwanzig«, sagte York. Er legte eine weitere Münze darauf. »Vierzig«, sagte er. Dann eine dritte. »Sechzig.« Als er bei dreihundert angelangt war, knöpfte York die Weste zu. »Ich fürchte, das ist alles, was ich bei mir habe, Mister Framm, aber ich versichere Ihnen, daß ich nicht ohne Reserven bin. Einigen wir uns auf siebenhundert Dollar für Sie und den gleichen Betrag für Mister Albright, wenn Sie beide mich in die Anfangskenntnisse des Steuerns einweisen und Captain Marshs Kenntnisse auffrischen, so daß er sein eigenes Schiff lenken kann, wenn nötig. Zahlbar sofort, und nicht aus zukünftigen Löhnen. Was meinen Sie?«
    Framm reagierte erstaunlich gelassen, dachte Marsh. Er zog ein paar Sekunden lang nachdenklich an seiner Pfeife, als würde er über das Angebot nachdenken, und schließlich streckte er die Hand aus und nahm den Stapel Goldmünzen. »Für Mister Albright kann ich nicht entscheiden, aber für mich selbst; ich war für die Farbe des Goldes schon immer empfänglich. Ich werde Sie einweisen. Was halten Sie davon, wenn Sie morgen im Laufe des Tages, wenn meine Schicht beginnt,

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