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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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ein kleines Glas Whiskey«, bat er.
    Marsh trank den Whiskey in einem Zug und seufzte laut »aaaaaahhh«, als das brennende Gefühl sich in seiner Brust ausbreitete. Es machte seinen Kopf auf einen Schlag klar. Es gab Möglichkeiten, wie er mehr über diese Sache herausbekommen konnte, aber andererseits ging es ihn eigentlich gar nichts an, welche Zeitungen Joshua York zu lesen pflegte. Überdies hatte er sein Wort gegeben, sich nicht in Yorks Angelegenheiten einzumischen, und Abner Marsh war stolz darauf, ein Mann zu sein, der sein Wort hielt. Entschlossen stellte Marsh das Glas auf die Theke und verließ die Bar. Er polterte die breite, geschwungene Treppe zum Hauptdeck hinunter und warf beide Zeitungen in eine der schwarzen Feuerungen. Die Deckshelfer beobachteten ihn mit seltsamen Blicken, aber Marsh fühlte sich sofort viel besser. Ein Mann sollte nicht herumlaufen und Verdacht gegen seinen Partner hegen, vor allem wenn er so großzügig und in seinen Manieren tadellos war wie Joshua York. »Was gafft ihr herum?« blaffte er die Deckshelfer an. »Habt ihr nichts zu tun? Ich hole Hairy Mike her und sorge dafür, daß er etwas Passendes für euch findet.« Sofort wurden die Männer geschäftig. Abner Marsh kehrte nach oben in die Hauptkabine zurück und genehmigte sich einen weiteren Drink.
    Am nächsten Morgen ging Marsh hinüber zur Pine Street ins Hauptbüro seiner Gesellschaft und kümmerte sich einige Stunden lang um seine Geschäfte. Zum Lunch ging er ins Planters’ House, um im Kreise alter Freunde und alter Konkurrenten zu speisen, und fühlte sich großartig. Marsh prahlte mit seinem Raddampfer und mußte Farrell und O’Brien ertragen, die sich mit ihren eigenen Schiffen brüsteten, aber das war schon in Ordnung, er schmunzelte nur und meinte: »Nun, Jungs, vielleicht begegnen wir uns mal auf dem Fluß. Das wäre doch riesig, oder?« Niemand erwähnte seine Pechsträhne vom letzten Winter, und drei Männer kamen an seinen Tisch und fragten Marsh, ob er nicht einen Lotsen für den unteren Mississippi brauchen könne. Es waren zwei wundervolle Stunden.
    Auf dem Rückweg zum Fluß kam Marsh zufällig an einer Schneiderwerkstatt vorbei. Er hielt inne und zupfte gedankenverloren an seinem Bart, während er eine Idee überdachte, die ihm plötzlich gekommen war. Dann ging er hinein, grinsend, und bestellte für sich eine neue Kapitänsjacke. Eine weiße mit einer Doppelreihe Silberknöpfe, genau wie er es bei Joshua gesehen hatte. Marsh hinterließ zwei Dollar als Anzahlung und vereinbarte, daß er die Jacke abholen würde, wenn die Fiebertraum nach St. Louis zurückkehren würde. Als er den Laden verließ, war er mit sich selbst sehr zufrieden. Im Hafen herrschte ein chaotisches Durcheinander. Eine Ladung Textilien war erst spät angeliefert worden, und die Schauerleute hetzten umher, damit sie rechtzeitig auf das Schiff kam. Whitey hatte bereits für Dampfdruck gesorgt; hohe weiße Wolken stiegen von den Druckventilen auf, und dunkler Qualm wälzte sich aus den blütenähnlichen Schornsteinen. Der Raddampfer links von der Fiebertraum legte unter dicken Qualmwolken, lautem Dampfpfeifengetöse und wildem Geschrei ab.
    Der große Raddampfer auf der rechten Seite ließ seine Fracht auf ein Anlegefloß packen, das aus einem alten verwitterten Raddampferrumpf bestand, der an der Anlegestelle auf Dauer befestigt war. Überall im Hafen lagen Dampfschiffe, in beiden Richtungen und so weit das Auge blicken konnte, mehr Schiffe, als Marsh zählen konnte. Neun Schiffe weiter lag die luxuriöse John Simonds mit ihren drei Decks und nahm Passagiere auf. Neben ihr lag der Raddampfer Northern Light mit einem Gemälde der Aurora auf den Radkästen; sie war ein nagelneuer Dampfer für den oberen Mississippi, und die Northwestern Line ließ verkünden, daß sie schneller war als jedes andere Gefährt, das je diese Gewässer durchpflügt hatte. Flußabwärts kam die Grey Eagle , welche die Northern Light schlagen mußte, um zu beweisen, daß ihre Prahlereien keine leeren Worte waren. Da waren außerdem die Northerner und die plumpe, starke St. Joe , ein Heckraddampfer, und die Die Vernon II und die Natchez .
    Marsh betrachtete sie nacheinander, die verschlungenen Muster zwischen den Schornsteinen, die hübschen Laubsägeverzierungen und die hellen Farben, die zischend aufwallenden Dampfwolken, die kraftvollen Schaufelräder. Und dann schaute er auf sein eigenes Schiff, die Fiebertraum , ganz in Weiß und Blau und Silber,

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