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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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Saphir, so groß wie ein Taubenauge, und keiner der anderen schien sich durch das Silber in der großen Kabine gestört zu fühlen. Sie benutzten beim Essen auch wie selbstverständlich das silberne Besteck, und zwar weitaus geschickter als die meisten Mannschaftsangehörigen der Fiebertraum .
    Und sobald die Kronleuchter abends angezündet wurden, erstrahlten die Spiegel in der Hauptkabine, und ein elegant gekleidetes Völkchen erwachte in ihnen zum Leben und tanzte und trank und spielte Karten genauso wie die richtigen Leute im richtigen Salon. Abend für Abend ertappte Abner Marsh sich dabei, wie er in diese Spiegel starrte. Joshua war immer da, wo er sein sollte, lächelnd, lachend, und er schwebte mit Valerie am Arm von Spiegel zu Spiegel, unterhielt sich mit einem Passagier über Politik, lauschte Framms wilden Flußgeschichten, wechselte ein paar persönliche Worte mit Simon oder Jean Ardant; jede Nacht wanderten tausend Joshua Yorks über das mit Teppichen ausgestattete Deck der Fiebertraum , jeder so lebendig und prächtig wie alle anderen. Und auch seine Freunde hatten Spiegelbilder.
    Das hätte eigentlich ausreichen müssen, aber Marshs langsamer, mißtrauischer Geist war immer noch beunruhigt. Es dauerte bis Donaldsonville, daß er einen Plan schmiedete, was zu tun war, um seine Sorgen zu beenden. Er ging mit einer Feldflasche in den Ort und füllte sie in einer Papistenkirche unweit des Flusses mit Weihwasser. Dann nahm er einen Jungen beiseite, der an ihrem Ende des Tisches bediente, und gab ihm fünfzig Cents. »Heute nacht füllst du Cap’n Yorks Glas aus dieser Flasche, verstanden?« befahl Marsh ihm. »Ich will ihm einen Streich spielen.«
    Während des Abendessens beobachtete der Kellner Joshua York in der Erwartung, daß er in schallendes Gelächter ausbrach. Aber er wurde enttäuscht. Joshua trank das geweihte Wasser wie selbstverständlich. »Nun, ich will verdammt sein«, murmelte Marsh anschließend, »damit dürfte diese Angelegenheit wohl geklärt sein.«
    Das war aber nicht der Fall, und in dieser Nacht verließ Marsh den großen Salon schon recht früh, um in Ruhe nachzudenken. Er hatte schon zwei Stunden lang auf der Texasveranda gesessen, allein, den Sessel zurückgekippt und die Füße auf die Reling gelegt, als er vom Treppenaufgang her das Rascheln von Röcken hörte.
    Valerie näherte sich, blieb dicht neben ihm stehen und lächelte auf ihn herab. »Guten Abend, Captain Marsh«, sagte sie.
    Abner Marshs Sessel schlug mit einem dumpfen Laut nach vorne auf das Deck, als er mit finsterer Miene seine Füße von der Reling nahm. »Passagiere haben auf dem Texasdeck nichts zu suchen«, sagte er und versuchte, sich seine Verärgerung nicht anmerken zu lassen.
    »Es war unten so heiß. Ich dachte mir, daß es hier oben vielleicht etwas kühler ist.«
    »Nun, das ist richtig«, erwiderte Marsh unsicher. Er wußte nicht so recht, was er als nächstes sagen sollte. Die Wahrheit war, daß die Nähe von Frauen ihm schon immer Unbehagen bereitet hatte. Sie hatten keinen Platz in der Welt eines Dampfschiffers, und Marsh wußte nie, wie er richtig mit ihnen umgehen sollte. Schöne Frauen machten ihn sogar noch unsicherer, und Valerie war beunruhigender als jede andere hübsche Frau aus New Orleans.
    Sie stand da, eine schlanke Hand leicht um einen mit Schnitzereien verzierten Pfosten gelegt, und blickte über das Wasser nach Donaldsonville. »Morgen erreichen wir New Orleans, nicht wahr?« erkundigte sie sich.
    Marsh stand auf, da ihm einfiel, daß es wohl kein Zeichen von Höflichkeit war, wenn er saß, während Valerie bei ihm stand. »Ja, Ma’am«, antwortete er. »Wir sind nur noch ein paar Stunden von dort entfernt, und ich werde mit voller Kraft losdampfen, so daß wir im Nu dort sind.«
    »Ich verstehe.« Sie wandte sich plötzlich um, und ihr blasses, wohlgeformtes Gesicht zeigte einen ernsten Ausdruck, als sie ihn mit ihren großen violetten Augen eindringlich ansah. »Joshua sagt, Sie seien der wahre Meister der Fiebertraum . Auf eine ziemlich seltsame Art und Weise hat er sehr viel Respekt vor Ihnen. Er wird auf Sie hören.«
    »Wir sind Partner«, erklärte Marsh. »Wenn Ihr Partner sich in Gefahr befände, würden Sie ihm dann zu Hilfe kommen?«
    Abner Marsh blickte finster, dachte an die Vampirgeschichten, die Joshua ihm erzählt hatte, und war sich bewußt, wie blaß und schön Valerie im Sternenlicht aussah, wie unergründlich tief ihre Augen waren. »Joshua weiß, daß er zu

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