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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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kam es, daß die Fiebertraum am nächsten Morgen in New Orleans eintraf, mit dem eleganten Dan Albright am Ruderrad und Abner Marsh auf der Brücke, wo er sich in seiner neuen Kapitänsjacke und seiner neuen Mütze aufgebaut hatte. Die Sonne brannte heiß an einem tiefblauen Himmel, und jedes winzige Hindernis und jede kleine Unebenheit im Flußbett machte durch goldene Schaumkrönchen im Wasser auf sich aufmerksam, so daß das Lenken des Schiffs eine einfache Angelegenheit war und der Dampfer ein zügiges Tempo schaffte. Der Uferdeich in New Orleans war dicht belegt mit Raddampfern und allen möglichen Segelschifftypen; das bunte Leben auf dem Fluß wurde durch die Musik ihrer Pfeifen und Glocken untermalt. Marsh stützte sich auf seinen Spazierstock und betrachtete die vor ihm liegende Stadt. Dabei lauschte er der Fiebertraum , wie sie mit ihrer Dampfpfeife und der Landungsglocke die anderen Boote grüßte. Er war während seiner Jahre auf dem Fluß schon des öfteren in New Orleans gewesen, aber er war noch nie auf diese Art und Weise dort eingelaufen, auf der Brücke seines eigenen Raddampfers stehend, des größten und prächtigsten und schnellsten Schiffes im Hafen. Er kam sich vor wie der Herr der Schöpfung.
    Sobald sie jedoch am Kai festgemacht hatten, gab es eine Menge Arbeit; Fracht mußte gelöscht werden, die Suche nach Aufträgen für die Rückfahrt nach St. Louis begann, Anzeigenaufträge für die lokalen Zeitungen mußten erteilt werden. Marsh beschloß, daß die Gesellschaft dort ein festes Büro eröffnen müßte, daher war er damit beschäftigt, entsprechende Räumlichkeiten zu besichtigen und ein Bankkonto zu eröffnen und einen Agenten einzustellen. An diesem Abend speiste er zusammen mit Jonathon Jeffers und Karl Framm im St. Charles Hotel, aber seine Gedanken wanderten von den Speisen zu den Gefahren, vor denen Valerie soviel Angst gehabt hatte, und er fragte sich, welche Absichten Joshua York haben mochte. Als Marsh auf den Dampfer zurückkehrte, unterhielt Joshua sich mit seinen Gefährten im Texassalon, und nichts schien anders zu sein als sonst, obgleich Valerie - die wieder an seiner Seite saß - irgendwie niedergeschlagen und gedemütigt wirkte. Marsh legte sich schlafen und verdrängte die ganze Angelegenheit aus seinem Bewußtsein, und in den nächsten Tagen dachte er kaum noch daran. Die Fiebertraum hielt ihn tagsüber zu sehr in Atem, und abends und bei Nacht dinierte er vorzüglich in der Stadt, prahlte bei seinen Drinks in den Kneipen am Hafen mit seinem Boot, spazierte durch das Vieux Carré und bewunderte dabei die bildhübschen Kreolinnen und die Innenhöfe der Häuser mit ihren Brunnen und schmiedeeisernen Gittern und Balkonen. New Orleans war genauso schön und gepflegt, wie er es in Erinnerung hatte, dachte Marsh anfangs.
    Aber dann erfüllte ihn nach und nach eine ungewisse Unruhe, eine Art Mißtrauen und Unsicherheit, die ihn vertraute Dinge mit ganz anderen Augen betrachten ließ. Das Wetter war kaum erträglich; tagsüber war die Hitze drückend, die Luft schwül und feucht, sobald man die Kühle der Flußwinde verließ. Tag und Nacht stiegen stinkende Dämpfe aus der offenen Kanalisation auf, schwere faulige Düfte, die auf dem stehenden Wasser lagen wie der Hauch eines abstoßenden Parfüms. Kein Wunder, daß New Orleans so oft vom Gelbfieber heimgesucht wurde, dachte Marsh. In der Stadt wimmelte es von freien Farbigen und hübschen jungen Terzeroninnen und Oktaroninnen und griffes , die sich so elegant kleideten wie weißhäutige Frauen. Aber es wimmelte auch von Sklaven. Man sah sie überall, wenn sie für ihre Herren Botengänge ausführten, niedergeschlagen in den Sklavenställen in der Moreau und der Common Street herumsaßen oder umhergingen, wenn sie zwischen den großen Warenbörsen in Ketten hin und her geführt wurden oder wenn sie die Abflußkanäle reinigten. Selbst unten an der Dampferanlegestelle konnte man den äußeren Zeichen der Sklaverei nicht entfliehen; die großen Seitenraddampfer, die ihre Geschäfte von New Orleans aus führten, transportierten ständig Farbige flußauf und flußab, und Abner Marsh sah sie ständig kommen und gehen, wenn er zur Fiebertraum hinunterging. Die Sklaven waren meistens mit Ketten gefesselt und hockten trübsinnig inmitten der Fracht, wo sie in der Hitze der Kesselfeuerungen schwitzten.
    »Das gefällt mir nicht«, beklagte Marsh sich bei Jonathon Jeffers. »Es ist unsauber. Und das will ich Ihnen sagen, davon

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